Mangelhafte Bahnübergangstechnik bei der DBAG

  • Zitat

    Original von Lokführer
    Das nenn ich dann mal Rationalisierung.
    Jetzt sitzt irgend so ein Depp ('tschuldigung) in warburg im Estw und brauch nur ein paar mal mit der Maus klicken... wenn überhaupt


    Ja, das ist Rationalisierung. Um das nochmal in aller Deutlichkeit zu sagen: Die Eisenbahn ist keine Arbeitsbeschaffungsmaßnahme. Klar sicher, irgendwelche Eisenbahnromantiker freuen sich riesig, wenn sie sehen, daß irgendwelche mechanischen Stellwerke heute noch in Betrieb sind, bei denen die Weichen durch Hebel mit Muskelkraft gesteuert werden, doch das ganze ist einfach nicht mehr zeitgemäß. Wichtig ist allein die Frage, ob die Investitionskosten und die jährlichen Einsparungen in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Alles andere ist völlig egal.

  • Natürlich ist es nicht mehr zeitgemäß, das sehe ich ja ein.


    Aber es ist ein herber Verlust (vor allem für unser kleines Dörfchen hier), wenn der Fdl fehlt.
    Zumal wir keinerlei "Schcikschnack" mehr haben (Lautsprecher, Uhren, etc). Nur noch an Gleis 1 die Überdachung, die an dem Wohnhaus befestigt ist und an Gleis 2 eine kleine Glashütte, als Unterstand bei Regen. Da passen aber maximal 15 Leute drunter.


    Alles in allem finde ich es schade, dass es so weitergeht - ich bin so ein "Hebelbankromantiker", der sich freut, wenn sich der Signalflügel noch durch Muskel- und Hebelkraft bewegt.

  • Die Sicherung von Bahnübergängen ist ein Kapitel für sich - ein sehr kompliziertes. Ein laiengerechter ausführlicher Grundsatzartikel würde den Umfang eines Buches annehmen und damit dieses Forum sprengen. Die Anforderungen sind in der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung festgelegt. Das ist eine Regierungsverordnung mit Gesetzeskraft. Bei den Sicherheitsanforderungen wird unterschieden nach Haupt- und Nebenbahnen. Dieser Aufsatz zählt nur das Wichtigste auf und deckt nur den Bereich der früheren Bundesbahn ab. Über die DR weiß ich zu wenig. Die Varianten sind unzählig .


    1 Es gibt keine "ungesicherten" Bahnübergänge, aber es gibt BÜ "ohne technische Sicherung". Solche werden durch die "Übersicht" gesichert. Der Wegbenutzer muss die Eisenbahn rechtzeitig erkennen können. Dazu werden Sichtflächen freigehalten. Wenn die Übersicht nicht hergestellt werden kann, sind "hörbare Signale" zu geben und die Geschwindigkeit des Zuges auf 20 km/h herab zu setzen.


    2 Auf Hauptbahnen müssen alle Wege mit öffentlichem Verkehr über Hauptgleise eine technische Sicherung haben.


    3 Die technischen Sicherungen gibt es in sehr vielen Formen. Hier die wichtigsten nach der sichtbaren Ausstattung:


    3.1 Die wärterbediente (orts- oder fernbediente) Schrankenanlage. Das sind BÜ mit Schranken-Vollabschluss, Halbschranken gibt es hier nicht, die von einem Schrankenwärter bedient werden. Dieser hat einen Fahrplan und erfährt zudem vom Fahrdienstleiter, wenn er das nicht selbst ist, wann die Züge von der benachbarten Betriebsstelle (voraussichtlich) abfahren. Er schließt aufgrund der ihm bekannten Fahrzeit und abhängig vom Straßenverkehr "rechtzeitig" die Schranken. An manchen BÜ gibt es zusätzliche Lichtzeichen (Ampeln) mit denen der Wärter den Straßenverkehr anhalten kann.


    3.2 Blinklichtanlagen mit und ohne Halbschranken. Blinklichter werden nicht mehr neu eingebaut.


    3.3 Lichtzeichenanlagen mit Halb- oder Vollschranken oder ohne Schranken.


    4 Nach der Art der technischen Lösung (Steuerung) kennt man in den Fällen 3.2 und 3.3 folgende Formen:


    4.1 Lokführerüberwachte BÜ. Ein- und Ausschaltung durch Schienenkontakt oder Induktionsschleife. Nach Sicherung des BÜ sieht der Lokführer ein Bestätigungssignal (Bü 1) im Bremswegabstand vom BÜ. Wenn dieses Signal ausbleibt, muss er anhalten und den BÜ örtlich sichern.


    4.2 Fernüberwachte BÜ. Ein- Ausschaltung wie oben. Die gesamte Einrichtung ist doppelt ausgeführt, sodass Totalausfälle mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit während der Annäherung eines Zuges nicht auftreten. Der Lokführer darf sich darauf verlassen, dass der BÜ gesichert ist und hat kein Überwachungssignal. Die Anlage überwacht sich laufend selbst und meldet Unregelmäßigkeiten an den/die benachbarten Fahrdienstleiter, die alle weiteren Züge mit "Befehl" zum Anhalten vor dem BÜ und zum örtlichen Sichern beauftragen (die Lokführer natürlich).


    4.3 Signalgesteuerte BÜ. Vor dem BÜ steht ein Signal. Das kann ein besonderes BÜ-Deckungssignal sein, das 50 m vor dem BÜ steht (kein Durchrutschweg) oder ein Hauptsignal einer benachbarten Betriebsstelle. Das Signal kann nur dann Fahrt zeigen, wenn der BÜ gesichert ist. Weil die Einschaltung eines solchen BÜ immer durch eine Signalstellung ausgelöst wird, nennt man sie heute nicht mehr "signalbhängig".


    5. Noch ein paar Spezialitäten, weil diese in den Beiträgen erwähnt wurden.


    5.1 Die Bezeichnung EBÜT (EinheitsBahnÜbergangsTechnik) steht für für einen Anlagetyp, der von mehreren Herstellern gefertig wird und alle Betriebsarten (4.1 bis 4.3) beherrscht.


    5.2 Sicherheit der Technik: Absolute Sicherheit gibt es nur, wenn keine Eisenbahn fährt. Aber selbst dann kann sich noch jemand auf dem BÜ den Fuß brechen. Auch wenn ein Menschenleben nicht pekuniär bewertet werden kann, gibt es doch Grenzen für den Aufwand, den man treiben kann. Diese Frage stellt sich jedem Autokäufer, wenn er gefragt wird, ob er ESP und ASR mitbestellen will. Die meisten tun es nicht - sagt mein Autohändler.
    Als die ersten automatischen BÜ gebaut wurden, stand zweifellos auch die Personaleinsparung im Blickfeld. Wichtiger war aber, den "menschlichen Faktor" der wärterbedienten Sicherung zu beseitigen. Statistisch gesehen sind automatische Anlagen um Größenordnungen sicherer, d. h. zuverlässiger, als vom Menschen bediente. Schon deswegen ist die Entscheidung für solche Anlagen richtig, auch wenn Restrisiken vorhanden sind. Im Laufe der technischen Entwicklung wurden sie immer weiter verringert durch bessere Konzepte und durch besseres Material.


    5.3 Zu frühes Öffnen des BÜ: Das war das Ausgangsthema. Ältere Anlagen werden über einen Schienenkontakt ausgeschaltet. Dieser wird von jeder Achse des Zuges erneut betätigt. Wenn länger als 5 s kein Impuls mehr kommt, denkt die Anlage, der Zug sei zu Ende. Wenn der Zug aus irgend einem Grund auf dem BÜ sehr langsam ist, reichen die 5 s nicht, um den zeitlichen Abstand zwischen 2 Achsen zu überbrücken. Das passiert bei einer Geschwindigkeit unter etwa 20 km/h. Der BÜ öffnet, obwohl der Zug noch darüber fährt oder gar steht. Man vertraute darauf, dass niemand sehenden Auges dann losfährt. Wenn an einem Bahnübergang regelmäßig Züge langsam wurden, weil z. B. in der Abrückstrecke ein Bahnsteig lag oder ein Signal stand, wurde eine "Isolierschiene" eingebaut, die das Freisein des BÜ überwachte und die Öffnung verhinderte, bis der Zug endgültig den BÜ geräumt hatte. BÜ bei denen so etwas passieren kann, gibt es nur noch so wenige, dass sich das EBA erlauben konnte, daran ein Exempel zu statuieren. Bei neuen Anlagen werden zum Ausschalten Induktionsschleifen eingebaut, die dann auch gleich die Freiüberwachung übernehmen.


    Jetzt ist das doch recht lang geworden und es bleiben noch sooo viele Fragen offen. Gelle? Ich bin vor sechs Jahren in den Ruhestand gegangen. Änderungen seither habe ich nur mit Einschränkungen mitgekriegt. Grundsätzliches dürfte nicht dabei sein - hoffe ich.


    Gruß, Hallole



    P. S.: Für unersättliche Freaks: http://de.wikipedia.org/wiki/Bahnübergang

  • Zitat

    Original von Lokführer
    Natürlich ist es nicht mehr zeitgemäß, das sehe ich ja ein.


    Aber es ist ein herber Verlust (vor allem für unser kleines Dörfchen hier), wenn der Fdl fehlt.
    Zumal wir keinerlei "Schcikschnack" mehr haben (Lautsprecher, Uhren, etc). Nur noch an Gleis 1 die Überdachung, die an dem Wohnhaus befestigt ist und an Gleis 2 eine kleine Glashütte, als Unterstand bei Regen. Da passen aber maximal 15 Leute drunter.


    Alles in allem finde ich es schade, dass es so weitergeht - ich bin so ein "Hebelbankromantiker", der sich freut, wenn sich der Signalflügel noch durch Muskel- und Hebelkraft bewegt.


    Das sind aber zwei voneinander unabhängige Probleme. Daß es keine Anzeigetafel und Ansagen mehr gibt hat nichts damit zu tun, von wo aus so etwas gesteuert wird. Und daß es keine Uhr am Bahnhof mehr gibt hat nun überhaupt gar nichts mit der Zuständigkeit des Fahrdienstleiters zu tun.


    Viele Bahnhöfe sind heute spartanisch ausgestattet. Einem Palast wie dem Berliner Hauptbahnhof stehen in der Fläche Haltepunkte gegenüber, die nun gar nicht attraktiv sind für die Eisenbahn. Ja, das ist ein großes Problem, das diesen so umweltfreundlichen Verkehrsträger unattraktiv macht.


    Übrigens: Ich habe gar nichts gegen mit Muskelkraft bediente Stellwerke. Auf Museumsbahnen sowieso nicht und auch auf noch im Regelbetrieb genutzen Bahnen. Die Frage ist halt nur, ob man solche personalintensiven Stellwerke mit einem vertretbaren Aufwand, d.h. mit einer in einem vernünftigen Verhältnis zur Investition stehenden jährlichen Einsparsumme modernisieren kann.


    Dazu kommt aber noch ein weiterer Punkt: Herkömmliche Stellwerke lassen sich zwar fernsteuern, aber sie werden vielleicht mal vom Nachbarstellwerk aus ferngesteuert, wenn die Stellwerke nicht mehr miteinander kommunizieren, ist es problemlos möglich, ein normalerweise ferngesteuertes Stellwerk für ein paar Stunden örtlich zu besetzen. Was aber passiert, wenn ein Bereichsstellrechner nicht mehr mit der Betriebszentrale kommuniziert? Was ist, wenn man erstmal Stunden ins Land gehen, bis fachkundiges Personal rangekarrt ist? Das sind Überlegungen, die sich den Methoden der Ökonomie entziehen - aber Überlegungen die für die Zuverlässigkeit des Systems Eisenbahn und des Verkehrsträgers Schiene von immenser Bedeutung sind.