Drastische Einschnitte im VRR-Nahverkehrssystem

  • VRR muss 519.000 Zugkilometer in 2007 kürzen


    Gelsenkirchen, 29. August 2006


    Die drastischen Einschnitte im Nahverkehr – ausgelöst durch Kürzungen der Bundesregionalisierungsmittel in Höhe von 3,3 Milliarden Euro bis 2010 – werden jetzt konkret. Ab 2008 müssen sich die Fahrgäste auf massive Kürzungen im SPNV-Leistungsangebot des VRR einstellen.


    Im Rahmen des NRW-Aktionsbündnisses im Mai 2006 hat der VRR bereits intensiv darauf hingewiesen, dass im Falle einer Kürzung der Bundesregionalisierungsmittel in Höhe von 3,3 Milliarden Euro bis 2010 jede fünfte Bahn und viele Busse gestrichen werden müssten. „Dies wird nach den jetzt vorliegenden Erkenntnissen auch Realität. Die konkrete Umsetzung im Nahverkehrssystem lässt sich zum heutigen Zeitpunkt allerdings noch nicht final skizzieren, da es noch viele offene Fragen gibt. Es wird aber auf jeden Fall zu drastischen Einschnitten kommen“, sagt VRR-Vorstand Martin Husmann.


    Dennoch hat das NRW-Aktionsbündnis gegen Kürzungen bei Bahn und Bus im Mai 2006 Wirkung gezeigt: „Als Ergebnis des Aktionsbündnisses lassen sich drei Punkte klar benennen: Erstens die Einsicht, dass sich gemeinsam wesentlich mehr bewegen lässt, zweitens dass der VRR sich für seine Fahrgäste und Kunden einsetzt, und drittens, wo die ursprüngliche Verantwortung für die Kürzungen liegt: beim Bund“, so Martin Husmann weiter.


    Keine Entwarnung für die Zukunft


    Nach derzeitigem Stand plant der Bund, die mündlich versprochene Kompensation von 500 Millionen dynamisch bis 2010 auf die Regionalisierungsmittel aufzuschlagen – unter dem Strich bedeutet das deutlich weniger Finanzmittel. Eine Dynamisierung von 1,5 Prozent jährlich ab 2010 ist bisher lediglich mündlich vom Bundesfinanzminister zugesagt. Dies muss gesetzlich verankert werden, sonst sind die Kürzungsszenarien schnell Wirklichkeit. „Der Bundesrat hat im Juni beschlossen, was wir seit Ende letzten Jahres versuchen zu verhindern. Das ist ein echter Taschenspielertrick. Die Ministerpräsidenten der Länder können sich regelrecht verschaukelt vorkommen. Der Bund geht mit der Daseinsvorsorge des öffentlichen Nahverkehrs verantwortungslos um“, bezieht Martin Husmann eindeutig Stellung.


    Eindeutige Planungssicherheit auch vom Land gefordert


    Um für die kommenden Jahre Planungssicherheit zu bekommen, müssen wichtige Punkte dringend geklärt werden. So muss das Land NRW schnellstens Antworten auf folgende Fragen geben:


    1. Wie viel Geld stellt das Land den Kooperationsräumen aus den Bundesregionalisierungsmitteln für die Finanzierung des Nahverkehrs zur Verfügung?
    2. Stellt das Land zusätzliche Finanzmittel aus anderen Töpfen für die Finanzierung zur Verfügung?
    3. Wie sieht der künftige Verteilungsschlüssel in NRW aus?


    „Die Antworten auf diese Fragen müssen bis Ende September / Anfang Oktober vorliegen, da sonst die konkreten Planungen für 2008 auf Basis der Horrorszenarien gemacht werden müssen“, zeichnet Martin Husmann den Weg auf.


    Aktuelle Situation in Zahlen


    Nach jetziger Gesetzeslage und derzeitigem Verteilungsschlüssel fehlen dem Land NRW in 2008 120 Millionen Euro, in 2009 137 Millionen Euro und in 2010 155 Millionen Euro. Das macht in der Summe 412 Millionen Euro. Dem VRR fehlen 22 Millionen Euro in 2008, 25 Millionen Euro in 2009 und 29 Millionen Euro in 2010 (in der Summe 76 Millionen Euro). Für 2007 fehlen nach Aussagen des Landes NRW 48 Millionen Euro zur Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs (SPNV). Das Land hat sich dazu bereit erklärt, 24 Millionen Euro für 2007 auszugleichen. Die restlichen 24 Millionen Euro müssen von den Zweckverbänden getragen werden. Das Defizit des VRR betrüge ohne die einmalige Zusatzfinanzierung des Landes etwa 10 Millionen Euro.


    „Trotz dieses einmaligen Zugeständnisses des Landes für das Jahr 2007 in Höhe von 24 Millionen Euro gibt es für das Gesamtszenario bis 2010 keine Entwarnung. Aber vielleicht birgt das einmalige Zugeständnis des Landes NRW die Hoffnung in sich, dass auch für die Folgejahre kreativ mit den Finanzmitteln umgegangen wird“, richtet VRR-Vorstand Martin Husmann einen Appell Richtung Düsseldorf.


    Kürzung in 2007 beträgt 519.000 Zugkilometer im VRR


    Die politischen Gremien des VRR haben heute einer Kürzung von 519.000 Zugkilometern für 2007 zustimmen müssen. Das entspricht 1,2 Prozent des gesamten VRR-Angebots im SPNV. Umgesetzt werden die Kürzungen in elf konkreten Maßnahmen (siehe Download-Link unten). Für die Planung und Ermittlung der elf Kürzungsmaßnahmen wurde ein mehrstufiges Verfahren unter folgenden Prämissen angewandt:


    1. Die heutige Nachfrage soll auch zukünftig durch das Leistungsangebot gedeckt werden.
    2. Die Fahrzeit soll sich für nachfragerelevante Relationen nicht erheblich verschlechtern.
    3. Bedienzeiten sollen auch weiterhin aufrecht gehalten werden.
    4. Stundentakt ist Mindestbedienung auf einem Korridor.


    Als Grundlage für das Verfahren wurden das SPNV-Netz in kleinräumige Korridore unterteilt und alle relevanten Verkehrsdaten für diese Korridore aufbereitet (Fahrgäste pro Fahrt / Linie / Tag).


    Fazit


    Die vorliegenden Kürzungen im SPNV-Netz sind erst der Anfang. Ab 2008 werden die Einschnitte wesentlich drastischer werden, sollten sich die finanziellen Rand- und Rahmenbedingungen aufgrund der klaren politischen Forderungen nicht grundlegend ändern.


    Quelle: VRR


    Link zum pdf.Dokument: http://www.vrr.de/imperia/md/c…/spnv_kuerzungen_2007.pdf
    _____________________________________________________________________


    Beitrag vom WDR:


    Streckenstreichungen bei S- und Regionalbahnen


    VRR dünnt Fahrplan aus


    Der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr streicht im nächsten Jahr zahlreiche S- und Regionalbahn-Verbindungen. Wegen wegfallender Bundesmittel soll das Angebot um 1,2 Prozent verringert werden - das macht 519.000 Zugkilometer weniger.



    Betroffen von den Kürzungen seien zehn Nahverkehrsstrecken, teilte der VRR am Dienstag (29.08.06) mit. "Wir haben uns bemüht, durch Streichungen ausschließlich in Randzeiten auf wenig ausgelasteten Strecken möglichst wenige Fahrgäste zu treffen", sagte VRR-Vorstand Martin Husmann. Die Kürzung von insgesamt 519.000 Zugkilometern im Jahr 2007 mache nur einen Anteil von 1,2 Prozent am Gesamtvolumen des VRR aus.


    "Das wird einen riesigen Aufschrei geben"


    Schon ab 2008 würden die Einschnitte aber "wesentlich drastischer" ausfallen, warnte Husmann. Von 2008 bis 2010 summierten sich die Geldkürzungen für das Land auf 412 Millionen Euro und für den VRR auf 76 Millionen Euro. "Das wird einen riesigen Aufschrei geben", mutmaßte der VRR-Vorstand. Er hoffe daher, dass sich das Land noch bereit finde, fehlende Mittel auszugleichen. Eine Zusammenlegung der derzeit neun Verkehrsverbünde auf drei, wie von der Landesregierung vorgeschlagen, bringt aus Husmanns Sicht nicht genügend Einsparungen. "Allerdings könnte man dadurch die Effizienz erhöhen", sagte er.


    Der Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS) hat zumindest für das kommende Jahr derzeit keine konkreten Pläne für Streckenstilllegungen. Erstens lägen die genauen Zahlen über die Kürzungen noch nicht vor, sagte VRS-Geschäftsführer Wilhelm Schmidt-Freitag in Köln. "Zweitens haben wir eine überdurchschnittliche Auslastung im öffentlichen Personennahverkehr." Wie sich die Kürzungen 2008 auswirken werden, sei noch nicht absehbar.


    Auswirkungen auf Busverkehr nicht absehbar


    Die Westfälische Verkehrsgesellschaft (WVG) in Münster, die ausschließlich mit Bussen im Personennahverkehr mitmischt, kann noch keine konkreten Folgen absehen. "In erster Linie betreffen die Kürzungen den Schienenverkehr", sagte Werner Linnenbrink, Abteilungsleiter für das Verkehrsmanagement der WVG. Bis es Klarheit über mögliche Streichungen von Bahnstrecken gebe, seien auch die Auswirkungen auf den Busverkehr noch nicht absehbar.


    Bund und Länder hatten sich im Juni darauf geeinigt, die so genannten Regionalisierungsmittel um insgesamt 1,8 Milliarden Euro zu reduzieren. Bis 2010 sind das allein für NRW rund 516 Millionen Euro weniger. Als Reaktion darauf hatte NRW-Verkehrsminister Oliver Wittke (CDU) zunächst alle neuen Bahn-Projekte gestoppt und sich für eine Zusammenlegung von Verkehrsverbünden ausgesprochen.


    Betroffen von den Kürzungen im VRR sind die Regionalbahn (RB) 36 (Duisburg-Oberhausen), RB 37 (Duisburg Hbf-Duisburg Entenfang), Regionalexpress (RE) 5 (Köln-Duisburg), Studentenpendel S1 (Bochum-Dortmund), RB 31 (Duisburg-Moers), RB 47 (Solingen-Remscheid), RE 4 (Düsseldorf-Aachen), RB 38 (Neuss-Düsseldorf), RB 27 (Mönchengladbach-Köln) und RB 45 (Dorsten-Coesfeld).


    Quelle:http://www.wdr.de/themen/verke…tml?rubrikenstyle=verkehr


    Audio-Link: http://www.wdr.de/themen/_conf…_mo/audio_060829_wb.jhtml

  • Ich möchte mal was zum Thema Busverkehr sagen: Im Februar hat z.B. die Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnenaktiengesellschaft, Gründungsmitglied des Verkehrsverbundes Rhein-Ruhr, aufgrund von Zuschußstreichungen 5% ihres Angebotes eingestellt. So hat z.B. die Überlandstraßenbahnlinie 310 zwischen Bochum und Witten früher Betriebsschluß, die Buslinie 350 fährt zwischen 8.30 und 12.30 nicht mehr auf dem Annener Ast und vieles mehr. Hier gab es bereits massive Angebotskürzungen kombiniert mit einer Fahrpreiserhöhung am 1.2.2006 und einer weiteren Fahrpreiserhöhung am 1.8.2006. Die Behauptung, der Bus- und Straßenbahnverkehr im Verbundraum würde sich nicht ändern, ist daher bereits jetzt nicht mehr haltbar.

  • Nicht nur in Bochum, in Neuss wurde die Buslinie 860 auf dem Abschnitt Büttgen-Neuss eingestellt und Zwischen Neuss Hbf und Bauerbahn eine Taxibuslinie eingefügrt die 30 minuten bis vor Abfahrt bestellt werden muss. Ausserdem wurde in Neuss die Buslinie 878 komplett eingestellt ohne Ersatz.

  • Das mit dem Rufbetrieb ist so eine Sache: Ich halte es gerade am Wochenende und sehr spät bzw. sehr früh für nicht verkehrt, wenn man bestimmte Buslinien auf Rufbetrieb umstellt. Letzten Sonntag war ich z.B. morgens gegen halb acht unterwegs, und mir sind zwei Busse begegnet, in denen nur der Fahrer saß. Sowas muß doch nicht sein.

  • Ich stoße mich im Monent nur an einer Sache. Abellio gibt an eine neues Konzept erfunden zu haben, den sogenannten Anrufbus. Hier wird die Route kurzfristig zusammengestellt. Ich weiß zwar nicht was man sich davon verspricht, ich selber halte den Rufbus für wirkungsvoller. In der Nachbarstadt Kaarst wurde die Statdbuslinie 861 komplett umgestellt mit Erfolg. Die Stadt zahlt nur die Busse die von den Fahrgästen angefordert wurden. Ich denke man könnte auch unter der Woche auf dieser Basis ein Nachtrufbusnetz gestalten.

  • Ja, und solche Leerfahrten, wie ich sie gerade beschrieben habe, könnte man vermeiden. Natürlich müßte man die Fahrer, die ja vorhanden sein müssen, bezahlen, aber daß leere Busse rumfahren, das ist volkswirtschaftlicher und ökologischer Unsinn.


    Hast Du vielleicht weitergehende Informationen zu dieser Abellio-Idee?

    Einmal editiert, zuletzt von Harry Weston ()

  • Interessantes Konzept. Erstmal natürlich vielen Dank für den Link. Ob sich diese Idee im ländlichen Raum durchsetzen kann, bleibt abzuwarten.

  • Ja ich frage mich wo der Reiz sein soll.


    Du rufst dort an und musst erstmal warten wer will noch aus irgendeinem Ort mitfahren und dann bekommst du eine Antwort. Und unter Umständen bist du länger Unterwegs als es mit der eignestellten Buslinie der Fall war. Vor allem welcher Tarif will man dann anwenden.

  • Gerade habe ich in der Lokalzeit Dortmund des Westdeutschen Rundfunks gesehen, daß die Verkehrsgesellschaft Ennepe-Ruhr mbH und die Verkehrsabteilung der Wuppertaler Stadtwerke AG ihre Zusammenarbeit intensivieren wollen und demnächst gemeinsame Buswerkstätten betreiben sowie die Anschaffung von Neufahrzeugen gemeinsam durchführen. Vorbild ist hierbei die Kooperation östliches Ruhrgebiet der Dortmunder Stadtwerke AG, der Bochum-Gelsenkirchener Straßenbahnen AG, der Straßenbahn Herne-Castrop-Rauxel GmbH sowie der Vestischen Straßenbahnen GmbH.


    Damit kann man viel sinnvoller Geld sparen. Durch höhere Rabatte beim Fahrzeugkauf sowie gemeinsame Werkstattnutzungen lassen sich Ressourcen zusammenlegen. Dadurch will man die Arbeitsplätze dauerhaft erhalten.


    Die KöR funktioniert im Busbereich sehr gut. Im Straßenbahnbereich weniger, da Bogestra und DSW unterschiedliche Fahrzeugtechnik und Spurweiten (1435mm DSW und 1000mm Bogestra). Allerdings hat der Bund der Steuerzahler kritisiert, daß die Bogestra im Bereich Straßenbahnen ihre Fahrzeuge nicht gemeinsam mit der Essener Verkehrs AG, der Stadtwerke Oberhausen AG und der Mülhemeiner Verkehrsgesellschaft mbH bestellt. Hier ließe sich ebenfalls sehr viel Geld einsparen, und zwar ohne daß man das Angebot kürzen müßte.


    Solche Kooperationen sind m.E. sehr sinnvoll. Der VRR ist zu groß, als daß alle Mitgliedsunternehmen gemeinsam Busse bestellen könnten. Solche kleinen Kooperationen sind sinnvoll. Ich hoffe, daß die Betreiber des großen meterspurigen Ruhrgebiets-Straßenbahnnetzes in ähnlicher Form zusammenarbeiten werden.

  • Zitat

    Original von RegioMarkus
    Abellio gibt an eine neues Konzept erfunden zu haben, den sogenannten Anrufbus. Hier wird die Route kurzfristig zusammengestellt. Ich weiß zwar nicht was man sich davon verspricht, ich selber halte den Rufbus für wirkungsvoller.


    So neu ist diese Erfindung nicht wirklich, in der Region Hannover gibt es diese Einrichtung schon länger sehr erfolgreich. Auch in Westbrandenburg habe ich davon schonmal gehört.

  • Das bestellen dieser Rufbusse oder Alt´s ist aber durch das anrufen eine enorme Hemmschwelle!!!!

    Einmal editiert, zuletzt von Christian Gübler ()