WDR: Studenten steuern Straßenbahnen

  • Von Jennifer Bender


    Wissen Sie eigentlich, wer den Bus vom Freibad zum Supermarkt steuert oder wer Sie mit der Bahn zur Arbeit bringt? Möglicherweise auch Studenten. In Köln werden ab Dienstag (05.09.06) neue Fahrer angelernt. Die Stammkräfte hatten um Entlastung gebeten.


    "Schon während des Studiums Kölns dickste Schlitten fahren." Mit diesem Slogan werben die Kölner Verkehrsbetriebe (KVB) derzeit um studentische Mitarbeiter. Nicht nur als Fahrscheinkontrolleure, auch als Fahrer sollen ab Oktober 15 Studenten den über 600 Festangestellten unter die Arme greifen.


    Drei Monate dauert eine reguläre Fahrerausbildung bei der KVB, für die Studenten sind es nur sieben Wochen. "Bei uns herrscht großer Bedarf im Niederflurnetz", erklärt Pressesprecher Joachim Berger, "unsere Studenten werden deshalb nur für diesen kleineren Streckenteil ausgebildet." Zudem dürfen die Studenten nur einen von drei Fahrzeugtypen fahren. So ist auch Hans-Peter Schröder von der Technischen Aufsichtsbehörde in Düsseldorf überzeugt, dass die Studenten das Lernpensum schaffen: "Wir haben keinen Grund, stutzig zu werden".


    "Fahrer wünschen Entlastung"


    Die Bewerbungshürden sind niedrig: Die Studenten müssen mindestens 21 Jahre alt, möglichst im Hauptstudium und zeitlich flexibel sein. Sie sollen im Routinebetrieb eingesetzt werden. So könne besonders um Großereignisse herum der "strapazierte Mitarbeiterbestand" entlastet werden, so Berger. "Wir haben immer mehr Veranstaltungen in und um Köln. Unsere Stammfahrer wünschen und benötigen eine Entlastung." Bezahlt werden die Studenten übrigens nach Tarif. Sie bekommen genauso viel wie die Stammfahrer.


    Die Einhaltung des Tarifvertrags war Grundbedingung für die Zustimmung des KVB-Betriebsrats, sagt dessen Vorsitzender Peter Densborn. Zudem sei unter anderem zugesichert worden, keine Planstellen abzubauen. Auch Peter Meyer von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Köln gibt sich gelassen: "Lohndumping hätten wir gar nicht mitgemacht". Zu einem weiteren Ausbau der Studentenjobs wollten sich aber weder Densberg noch Meyer äußern. Nur soviel: Nach einem "Erfahrungszeitraum" von einem Jahr soll weiter beraten werden.


    Gute Resonanz in Dortmund


    Dass ein derartiges Projekt gelingen kann, beweisen seit zwei Jahren zwölf Studenten in Dortmund. Sie sind im Streckennetz der Verkehrsbetriebe DSW21 als Busfahrer unterwegs. "Für punktuelle Ereignisse sind wir nun besser gerüstet und viel flexibler", sagt Bernd Winkelmann von der DSW21. Sechs Monate dauert hier die Ausbildung: "Jeder soll jede Strecke fahren können", sagt Winkelmann, "halbe Ausbildungen gibt es bei uns nicht." Ausbauen wolle man die Studentenjobs allerdings nicht: "Die Krankenstände sind stark rückläufig, unser Personal ist ausreichend". Entspannteres Arbeiten gibt es vielleicht auch schon bald in Köln. Wenn dort alles planmäßig läuft, können die Studenten schon zum Semesterbeginn Mitte Oktober mit Kölns "dicksten Schlitten" zur Uni fahren.


    Quelle: http://www.wdr.de


    Köln hat doch soviele Arbeitslose, warum bildet man dann keine Langzeitarbeitslosen bzw. Hartz-IV Empfänger aus?

  • Als Busfahrer auch sogar...Erstaunlich, wenn man bedenkt dass ein Busführerschein 5000€ bis 10000€ kostet.


    In Schöneiche(bei Berlin) fahren Studenten übrigens schon seit über 5 Jahren. Fremdfahrer im Allgemeinen gibts da schon seit Jahrzehnten.
    Ich finde das grundsätzlich toll, wenn Betriebe so etwas zulassen, wäre schön, wenn sich die BVG das auch mal überlegt.

  • Ich habe ja auch nichts dagegen das sich Studenten etwas dazu verdienen, aber bei sovielen Arbeitslosen hätte man auch erst mal dort suchen sollen, so machen es doch auch die privaten EVU´s.


    Wieder eine Chance vertan, die Abreitslosigkeit zu bekämpfen.

  • Das ist ja das grundsätzliche Problem dieser ganzen Minijob-Geschichten: Sie verdrängen reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wenn man 15 Straßenbahnfahrer als Minijobber einstellt, dann könnte man auch fünf reguläre Stellen schaffen, Stellen, die halt nicht hoch subventioniert wären, sondern reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse, wie wir sie so dringend brauchen würden. Aber da die Ersetzung dieser durch Minijobs politisch gefördert wurde und wird, ist es kein Wunder, daß die öffentliche Hand als Arbeitgeber ebenfalls darauf setzt. Die Straßenbahnbetriebe in Köln sind nur eines von unzähligen Beispielen.

  • Zitat

    Sie verdrängen reguläre, sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse.


    Ne, ich glaub' nicht, dass irgendwann nur noch die "Aushilfen" fahren, die zudem nur zeitlich begrenzt sind, immerhin studieren die ja "hauptberuflich". Und für kurze Zeit vollwertige Arbeitskräfte einstellen tut heute kaum jemand, dann müssen die vorhandenen eben mehr arbeiten...
    Übrigens könnte man das zu allen Studentenjobs sagen...


    Ich könnt' mir das schon vorstellen, so in München nach der Schule mal schnell ein, zwei Stunden ab und an Bus, Tram oder am liebsten U-Bahn zu fahren, aber erstens bin ich noch einige Monate keine 21, zweitens werd' ich wohl nicht als Student anerkannt und drittens gibt's sowas in München gar ned, hab' ich zumindest nichts von gehört... :D

  • Mal eben 1 oder 2 Stunden ist aber nicht. Wenn dann müssens 9 Stunden schon sein. Zudem zu Zeiten wo du entweder noch nicht hinkommst oder nach dem Dienst nicht mehr weg.

  • Zitat

    Mal eben 1 oder 2 Stunden ist aber nicht. Wenn dann müssens 9 Stunden schon sein. Zudem zu Zeiten wo du entweder noch nicht hinkommst oder nach dem Dienst nicht mehr weg.


    Was den Bewerberkreis extrem einschränkt oder bin ich der einzige Doofe, der von Montag bis Freitag von 6 bis 18 Uhr entweder mit Lernen oder dem Weg dahin beschäftigt ist? Vielleicht hätt' ich auch an die Uni gehen sollen... Oder wo sollen da die 9 Stunden herkommen? Oder haben die am Wochenende Engpass?
    Und wenn ich als Studentenjob 9 Stundenschichten machen soll, frage ich mich, ob das dann noch ein "Nebenjob" ist...

  • @Harry,


    das ganze ist nun leider die Konsequenz aus der Entwicklung der Tarifverträge.
    Es ist nicht so einfach, Leute wieder los zu werden, wenn man sie nicht mehr braucht.
    Alternativ wären natürlich irgendwelche 20 Stunden Jobs, aber wer will die schon machen, speziell, wenn die Arbeitszeiten so unregelmässig und auch sonst nicht so lecker sind. Daher könntest du ja nebenher auch kaum was anderes machen.


    Tomy

  • AndreasZ


    Überleg mal, ob sich das für irgendwen lohnt für 2 Stunden bezahlte Arbeit 30 Minuten Anreise und 30 Minuten Abreise (+ Fahrtkosten) in Kauf zu nehmen.


    Das wäre dann nur noch was für Freaks.


    Tomy

  • Zitat

    Original von AndreasZ


    Was den Bewerberkreis extrem einschränkt oder bin ich der einzige Doofe, der von Montag bis Freitag von 6 bis 18 Uhr entweder mit Lernen oder dem Weg dahin beschäftigt ist? Vielleicht hätt' ich auch an die Uni gehen sollen... Oder wo sollen da die 9 Stunden herkommen? Oder haben die am Wochenende Engpass?


    Deswegen steht da wohl, dass bevorzugt Leute gesucht werden, die im Hauptstudium sind. Da hat man eher Zeit für sowas. Außerdem müssen die meisten Studenten so oder so nebenbei arbeiten, insbesondere jetzt, wo überall Studiengebühren eingeführt wurden. Gelernt wird dafür halt auch am Wochenende.

    Zitat

    Und wenn ich als Studentenjob 9 Stundenschichten machen soll, frage ich mich, ob das dann noch ein "Nebenjob" ist...


    Man behält seinen Status als Student, wenn man nicht mehr als 20 Std. in der Woche arbeitet. Ob man nun eine zwei 9-Stunden-Schichten oder 6x3 Stunden arbeitet, spielt dabei keine Rolle. Ich arbeite 12 Stunden in der Woche und kann diese recht frei verteilen. Da arbeite ich natürlich am ehesten 2x6, wenns sein muss auch mal 3x4 Stunden. Aber für weniger als 4 Stunden will ich lieber nicht extra zur Arbeit fahren müssen.

  • Das dumme ist nur das gerade am Wocheende in Köln viele Veranstaltungen sind und die Studis eben an den Zeiten fahren müssen während andere Studis lernen. Mal sehen wie lange die das durchhalten. Der Versuch ist erstmal, wenn ich das richtuig gelesen habe, für ein Jahr befristet, dann wird man weiter schauen.

  • Zitat

    Überleg mal, ob sich das für irgendwen lohnt für 2 Stunden bezahlte Arbeit 30 Minuten Anreise und 30 Minuten Abreise (+ Fahrtkosten) in Kauf zu nehmen.


    Das müssen andere, die abends noch irgendwo in der Kneipe bedienen oder in 'nem Lager arbeiten auch. Und Städte wie München sind groß, da kann man durchaus mal länger als 30 Minuten unterwegs sein, wenn man überhaupt in der Stadt arbeitet, ein paar Kolegen von mir sind da ziemlich eingespannt unter der Woche...

  • @Andreas Z & 9 Stundenschichten:


    Das geht schon. Wie manche wissen fahre ich ja auch als Student nebenher Straßenbahn. Am Wochenende geht das natürlich sowieso immer ganz gut, auch 9 Stundenschichten. In den Semesterferien, die ja fast die Hälfte des Jahres ausmachen ist die Zeiteinteilung noch freier. In den Wochen wo man tatsächlich zeitlich festgesetzten Unibetrieb hat muss man den Dienst entweder ablehnen oder am Stundenplan rumexperiementieren z.B. eine Ausweichvernastaltung besuchen um den Dienst zu machen bzw. auch mal eine Vorlesung ausfallen lassen. Dabei können natürlich auch extreme Tage entstehen von 8 Uhr bis 2 Uhr.

  • Daß Studierende in "Minijobs", wie sie seit Hartz II genannt werden, Straßenbahn fahren, ist kein neues Phänomen in Köln, bei den Dortmunder Stadtwerken ist es z.B. schon länger üblich.


    @ Tomy


    Zitat

    Es ist nicht so einfach, Leute wieder los zu werden, wenn man sie nicht mehr braucht.


    Man kann jeden loswerden, der nicht mindestens zwei Jahre im Betrieb ist. Durch befristete Arbeitsverträge ist das überhaupt gar kein Problem. Bei über 50jährigen gibt es faktisch gar keinen Kündigungsschutz mehr.


    Ich kritisiere auch nicht, daß Betriebe von Minijobs gebrauch machen, ganz im Gegenteil: Nachdem man prekäre Arbeitsverhältnisse politisch fördert, ist es kein Wunder, wenn reguläre, sozialversicherungspflichte Beschäftigungsverhältnisse in "Minijobs" umgewandelt werden.


    @ Andreas


    Zitat

    Übrigens könnte man das zu allen Studentenjobs sagen...


    Zu allen Studentenjobs und überhaupt zu allen Minijobs. Das Problem ist, daß diese Arbeitsverhältnisse von regulären Arbeitsverhältnissen subventioniert werden.

  • @Harry


    Ich kann deine Argumentation schon verstehen. Doch haben diese Minijobs schon eine Berechtigung. Mit irgendwas müssen sich auch Studenten ihr Geld verdienen. Und es tut den Studenten auch gut bereits voher mit dem Arbeitsleben konfrontiert zu werden. Außerdem zahlt der Arbeitgeber meines Wissens 25%(?) pauschal in die Sozialkasse.


    1. Nachtrag: Hab mal nachgeschaut. Der ARbeitgeber muss seit Juli 30% pauschal in die Sozialversicherungen einzahlen, zudem ohne dass der Arbeitnehmer dadurch Kranken oder rentenversichert ist.


    http://www.foerderland.de/309.0.html#c11892


    2. Nachtrag: MAn schaue sich mal den Punkt kurzfristige Minijobs an...Jetzt weiß ich warum ich nicht mehr als 50 Dienste im Jahr fahren darf. Damit wäre der 1. NAchtrag obsolet.

    3 Mal editiert, zuletzt von Patrick Schardien ()

  • Zitat

    Original von Patrick Schardien
    @Harry


    Mit irgendwas müssen sich auch Studenten ihr Geld verdienen.


    Ich habe ja gar nichts dagegen, daß Studierende neben ihrem Studium arbeiten, aber die Art und Weise der politischen Förderung prekärer Beschäftigungsverhältnisse halte ich für falsch. Was spricht denn dagegen, daß für Arbeitsverhältnisse mit wenigen Wochenstunden reguläre Sozialversicherungsabgaben abgeführt werden?



    Zitat

    Außerdem zahlt der Arbeitgeber meines Wissens 25%(?) pauschal in die Sozialkasse.


    Und das ohne daß der Arbeitnehmer renten- oder krankenversichert ist. Der Arbeitnehmer ist oft weiter übers Arbeitsamt krankenversichert oder eben als Student oder eben, so wie ich, über den Rententräger.


    Trotzdem müssen die Gesundheitskosten für "Minijobber" aufgebracht werden. Minijobs werden durch sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse subventioniert.


    So schön es ja für Studierende ist, wenn sie nebenbei einen "Minijob" machen können, aber der makroökonomische Effekt der Förderung prekärer Arbeitsverhältnisse ist eben negativ.

  • Hans Meiser (RTL) ist euch doch sicher ein Begriff.
    Der ist in seiner Studentenzeit auch in Köln Straßenbahn gefahren. Scheint also schon läger so üblich zu sein.


    In Kassel kommen viele Studenten zum Einsatz, wenn die KVG ihre jährliche Schwerbehindertenzählung durchführen muss. Aber auch bei den Fahrausweisprüfern sind viele Studis dabei.

  • heir in cottbus fahren stufenten seit 2-3 jahren auch schon straßenbahn, allerdings ganz sicher nicht zur entlastung der anderen fahrbediensteten, sondern weil diese saisonarbeitskräfte einfach billiger sind.
    leider ein zunehmender aufwärtstrend