Die Eisenbahninfrastruktur wird immer älter

  • Einige Kennzahlen:


    • Die Schienen der DB Netz AG waren 2006 durchschnittlich 19,8 Jahre alt. 2005 waren es 19,6 Jahre.
    • Die Schienen der DB Netz AG, auf denen schneller als 159km/h gefahren wird, waren 2006 durchschnittlich 18,4 Jahre alt. 2005 waren es 18,2 Jahre.
    • Die Weichen der DB Netz AG waren im Jahr 2006 durchschnittlich 16,9 Jahre alt. 2005 waren es 16,5 Jahre.
    • Die Bahnsteige der DB Station&Service AG waren im Jahr 2006 durchschnittlich 47,6 Jahre alt. 2005 waren es 46,6 Jahre.
    • Die Länge des Schienennetzes der DB Netz AG betrug 2006 34.019 Kilometer. 2005 waren es 34.066 Kilometer.
    • Die Anzahl der Weichen betrug im Jahr 2006 77.080, rund drei Prozent weniger als 2005.
    • Laut Netzzustandsbericht waren die Züge pro 1000 Kilometer im vergangenen Jahr um im Schnitt 5,65 Minuten zu spät. Das waren 1,28 Minuten mehr als noch im Vorjahr.


    Finanzen.de


    Bereits vor dem Börsengang wird der Zustand der Eisenbahninfrastruktur immer desolater, und das obwohl die Deutsche Bahn AG nicht selbst für den Unterhalt der Eisenbahninfrastruktur aufkommen muß, die Staatsgelder werden lediglich als Umsatz bilanziert. Wenn Hartmut Mehdorn mit der Forderung, Gleismeßfahrten zur Ermittlung der Qualität durch das Eisenbahnbundesamt verbieten zu lassen, wirklich durchkommen sollte, dann gibt es ein ernsthaftes Problem, insbesondere dann, wenn die Deutsche Bahn AG damit beschäftigt ist, den Einstieg ungeliebter Investmentfonds zu verhindern. Erinnerungen an Hatfield und Potters Bar, wo es Anfang des Jahrzehntes folgenschwere Eisenbahnunfälle wegen desolater Infrastruktur gab, werden wach.


    Die Herren Beckstein und Schäuble wollen uns einreden, daß die Fahrgäste in den Zügen von islamistischen Terroristen bedroht würden. Ich glaube aber, daß die Bahnpriviatisierung der Herren Mehdorn und Tiefensee viel gefährlicher ist als Al-Qaida.

  • Ich finde den Vergleich zwischen der Bahnprivatisierung / Börsengang und islamischen Terroristen doch etwas zu weit hergeholt.


    Das man das Eisenbahnbundesamt wirklich nicht mehr seinen Aufgaben nachkommen lassen will, das kann ich mir nicht vorstellen. Dann müsste man diese Behörde ja auch gleich abschaffen, denn wozu soll diese dann noch nützlich sein? Eine Bahn, wie auch immer diese mal aussehen wird, wird was die Sicherheit angeht, unter der Kontrolle des Staates bleiben.


    Wie hoch ist eigentlich die Lebensdauer, bzw. das maximal zulässige Alter einer Stahlschiene auf einer Hauptstrecke?

  • Zitat

    Original von Tf Benzilla
    Ich finde den Vergleich zwischen der Bahnprivatisierung / Börsengang und islamischen Terroristen doch etwas zu weit hergeholt.


    Ja, der Vergleich ist wirklich sehr weit hergeholt. Seit der Gründung der Deutschen Bahn AG am 1. Januar 1994 starben 126 Menschen bei Eisenbahnunglücken in Deutschland. Trotz immerwährender gegenseitiger Behauptungen starb noch nicht ein einziger Mensch durch islamistischen Terrorismus auf deutschem Boden. Die Privatisierung der Eisenbahn ist also ein vielfaches gefährlicher als der aktuelle Goldstein, Osama bin Laden.


    @ KNBahner


    Das Geld wird in Hochgeschwindigkeitstrassen gepumpt, damit man über 300km/h fahren kann, das Geld wird in einen Rhein-Ruhr-Expreß gepumpt, damit man zwischen Duisburg und Köln drei Minuten spart, während sich die Eisenbahn in der Fläche in einem desolaten Zustand befindet. Verlotterte Infrastruktur, zu schwach besetzte Stellwerke (Bochum), schlecht ausgebildetes Triebfahrzeugpersonal (Brühl), das alles sind Indikatoren dafür, in was für einem miserablen Zustand sich die Eisenbahn befindet.

    Einmal editiert, zuletzt von Harry Weston ()

  • Hallo Harry! :)

    Zitat

    Original von Harry Weston


    Seit der Gründung der Deutschen Bahn AG am 1. Januar 1994 starben 126 Menschen bei Eisenbahnunglücken in Deutschland.


    Eine Frage hierzu: Woher hast du die Zahl und auf welche Art von Eisenbahnunglücken beziehst du sie? Und was haben sie mit der Privatisierung der Bahn zu tun?


    Zitat

    Original von Harry Weston
    Trotz immerwährender gegenseitiger Behauptungen starb noch nicht ein einziger Mensch durch islamistischen Terrorismus auf deutschem Boden. Die Privatisierung der Eisenbahn ist also ein vielfaches gefährlicher als der aktuelle Goldstein, Osama bin Laden.


    Harry, bei allem Respekt: das ist so dumm, dass das kein vernünftiger Mensch ernstnehmen kann, es sei denn, man ist ein "Bahnhasser", dass ist dann natürlich etwas anderes.


    [Edit]Abgesehen davon: welchen Goldstein meinst du und wieso setzt du ihn mit Osama bin Laden gleich? Aber vielleicht verzichte ich dann doch lieber hier auf eine Antwort, ich habe nämlich eine dumpfe Ahnung, wohin das führen wird.


    Gruß
    KBS-146-Fan

  • Zitat

    Original von KBS-146-Fan


    Eine Frage hierzu: Woher hast du die Zahl und auf welche Art von Eisenbahnunglücken beziehst du sie? Und was haben sie mit der Privatisierung der Bahn zu tun?


    Das ist die Gesamtanzahl der Todesopfer bei Eisenbahnunglücken im Netz der Deutschen Bahn AG seit dem 1. Januar 1994. Nachzuvollziehen über anständige Fachliteratur und das Internet. Allein 101 davon starben 1998 in Eschede.


    Zitat

    [
    Harry, bei allem Respekt: das ist so dumm, dass das kein vernünftiger Mensch ernstnehmen kann, es sei denn, man ist ein "Bahnhasser", dass ist dann natürlich etwas anderes.


    Das ist nicht dumm, das sind zwei Dinge, die stimmen.


    1. Die Eisenbahninfrastruktur hat sich 2006 weiter verschlechtert.
    2. Es gab auf deutschem Boden noch nicht einen Toten durch islamistischen Terrorismus.


    Weiterhin fände ich es aufschlußreich, wenn Du dich zum schlechten Zustand der Eisenbahninfrastruktur äußern würdest.

    Einmal editiert, zuletzt von Harry Weston ()

  • Naja, Bahnunfälle hat es auch schon vor 1994 gegeben. Du tust ja grad so, als hätte es sowas vorher zu Bundesbahnzeiten nie gegeben...


    Hier mal eine Auflistung aller Bahnunglücke:
    http://de.wikipedia.org/wiki/Eisenbahnungl%C3%BCck


    Murphy´s Gesetz besagt, das was schief gehen kann, auch schief gehen wird. Nicht immer war es technisches Versagen, das man möglicherweise auf Einsparungen zurückführen kann. Auch gut gewartete Dinge können einfach mal versagen. Und dann ist da noch der Faktor Mensch. Es ist klar, das überfordertes, weil zu gering eingesetztes Personal, eher zu Fehlern neigt. Es ist auch klar, das mangelnde bzw. unzureichende Erfahrung Fehler begünstigt. Aber auch ein langjährig erfahrener Fahrdienstleiter in einem großzügig besetzen Stellwerk kann urplötzlich einen Fehler machen, der schlimme Folgen hat.


    Sicher mögen Sparmaßnahmen Fehler begünstigen, aber verhindern kann sie nicht mal die modernste Technik. Nichts und niemand ist 100% unfehlbar, das ist höchstens nur der liebe Gott.

  • Harry, zunächst Entschuldigung:
    Ich hatte meinen vorigen Beitrag noch editiert, bevor ich deine Antwort gesehen habe.


    Ich streite mich doch gar nicht mit dir um die Probleme mit der Infrastruktur in dem Sinne, dass ich sie leugnen würde.


    Zitat

    Original von Harry Weston
    Das ist nicht dumm, das sind zwei Dinge, die stimmen.


    1. Die Eisenbahninfrastruktur hat sich 2006 weiter verschlechtert.
    2. Es gab auf deutschem Boden noch nicht einen Toten durch islamistischen Terrorismus


    Aber Harry... :rolleyes: Für sich genommen mögen diese Behauptungen ja möglicherweise sogar zutrefflich sein, du hast aber nun deine Schlussfolgerung hieraus weggelassen:

    Zitat

    Original von Harry Weston
    Die Privatisierung der Eisenbahn ist also ein vielfaches gefährlicher als der aktuelle Goldstein, Osama bin Laden.


    Hierauf richtet sich meine Kritik, sowie an Goldstein (s.o.) und "Was-wäre-wenn" Prognosen hinsichtlich einer Bahnprivatisierung/Börsengang.


    Zitat

    Ich glaube aber, daß die Bahnpriviatisierung der Herren Mehdorn und Tiefensee viel gefährlicher ist als Al-Qaida.


    [Edit1]:
    Und: wieso sollte eine Prognose zum Terrorismus in Deutschland rosiger ausfallen als eine Prognose zum Börsengang, wenn man schon Wahrsager spielen will?


    [Edit2]: Präzisierung/Richtigstellung

  • Und vor 1994 hat es nicht nur Unglücke gegeben, sondern sind auch von der Bundesbahn Strecken stillgelegt worden nachdem der letzte Alibizug gefahren ist.


    Apropos: Dieses Prinzip mit dem Alibizug gibt es ja seit der Privatisierung ja eh nicht mehr.


    Gruß
    Jens

  • Mit dem Geld des Staates werden nicht nur Glaspaläste und SFS gebaut, vor einem knappen Jahr war in Quer im BR ein Beitrag dazu, es wurde auch gesagt, dass so und so viele Millionen €uro, weiß ich jetzt wirklich nicht mehr, von der Bahn zur Erneuerung der Netzes abgelehnt wurden. So muss kein Eigenanteil aufgebracht werden, der die Börsenbilanz negativ beeinflusst. Die Millionen, war es schon im Milliardenbereich, wanderten in den Straßenbau.


    Strecke Weilheim Augsburg:
    Da gab´s über neun Monate bei Geltendorf eine Langsamfahrstelle, anfangs mit 30, dann mit 10 km/h. Grund waren Schienenbrüche des Winters und herausgeschnittene und gelaschte Schienenstücke, auf Grund von Verformungen und Verwerfungen im Sommer.
    Eines Tages, urplötzlich in der Früh war alles in einer Nacht- und Nebelaktion repariert worden. Wenige Tage später kam in Plus Minus ein Bericht über das Netz, es ging auch um Geltendorf...
    An gleicher Stelle sind schon wieder zwei Stücke rausgeschnitten und gelascht worden, aber noch fahren wir dort 70.
    In gleicher Nacht- und Nebelaktion wurde wenige Jahre zuvor der nahegelegene Bahnsteig des Haltepunkts, früher sogar noch Bahnhof, Greifenberg, nach Streitigkeiten, wegen nicht mehr haltender Züge weggerissen, so dass das Thema erledigt war.


    Heute habe ich mir noch überlegt, wo ich die nächsten zwei Wochen hinfahre und habe festgestellt, dass Traunstein- Freilassing und Freising- Landshut teils gesperrt sind, wegen Erneuerungen. Nach Traunstein wurden dieses Jahr schon einmal mehrere Kilometer Gleis komplett neu gemacht. Ebenso auf der Strecke Weilheim- Augsburg. Die wird aber noch einige Male dicht gemacht, da ab Mitte 2008 die Privaten kommen, die fahren dann pünktlich und halten an Bahnsteigen, die auch als solche zu erkennen sind. Auch ein Neubau des Bahnsteigs Greifenberg, wird nach Anstößen der Privaten (BRB) wieder in Erwägung gezogen.


    Im November wird München- Mittenwald auf ESTWs umgestellt, seit über einem Jahr wuseln da orange Leute rum, an den Schienen wurde, so wie ich es erkenne, nichts gemacht. Über mehrere hundert Meter vor Garmisch sind seit über einem Jahr 50, anstatt 100 km/h. Neben dem Gleis liegen einige neue Schwellen, ab und zu wird eine ausgetauscht, der Schotter ist ein Mix aus Braun und hellgrau, wieso nicht auf einmal alles, ist doch bestimmt billiger?


    Man möge mir Rächdschraibfähla nachsehen, mehrere Finger sind zur Zeit mit dicken Pflastern eingepackt.



    Martin

  • Es ist sicher richtig, daß man auch bei einem ausreichend besetzten Stellwerk nicht mit letzter Sicherheit einen Bedienungsfehler ausschließen kann. Ist das aber ein Grund, die mangelnde Stellwerksbesetzung beim S-Bahnunfall 2006 am Bochumer Hauptbahnhof gutzuheißen?


    Die Stellwerksbesetzung ist gesetzlich geregelt und richtet sich nach der Größe des Stellbereiches und nach dem Zugaufkommen während der Schicht. Es ist daher davon auszugehen, daß im Regelbetrieb ein Mann auf diesem Stellwerk während der Nacht ausreichend ist. Es war aber kein Regelbetrieb, sondern der Mann mußte neben seiner normalen Arbeit drei Baustellen sowie Gleisreinigungsarbeiten betreuen, er gab während des Prozesses an, er habe unter Streß gestanden. Spätestens seit diesem Unfall ist also klar, daß es hier eine Gesetzeslücke gibt, daß Stellwerke bei betrieblichen Besonderheiten stärker besetzt werden müssen. Ob die Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium diese Gesetzeslücke nicht sehen oder ob diese Gesetzeslücke bewußt nicht gestopft wird, um den Shareholder Value der Deutschen Bahn AG nicht zu gefährden, vermag ich nicht zu beurteilen. In jedem Fall erwarte ich als Fahrgast, daß der Mann, der die Weichen für meinen Zug stellt, nicht unter Streß steht, daß seine Dienstanweisungen inhaltlich richtig sind und daß die Dienstanweisungen mit dem gesetzlich vorgeschriebenen Vorlauf auf den Stellwerken ausliegen.


    Noch ein paar Worte zum Nebenbahnsterben bei der Deutschen Bundesbahn: Ja, auch die Deutsche Bundesbahn war gezwungen, massenhaft Streckenstillegungen vorzunehmen. Der politische Anspruch, möglichst wenig Geld für die Eisenbahn auszugeben, kam ja nicht erst mit der Gründung der politischen Fehlgeburt Deutsche Bahn AG am 1. Januar 1994 auf, ganz im Gegenteil: Die Deutsche Bundesbahn war oftmals gezwungen, ihre negativen Betriebsergebnisse mit Kapitalmarktschulden zu decken, das sind die "konsumtiven Schulden", die das Bundeseisenbahnvermögen geerbt hat. Da das bei der Deutschen Bahn AG heute anders aussieht, drängt sich oftmals der Verdacht auf, die Deutsche Bahn AG sei ein selbsttragendes Unternehmen und habe den Steuerzahler vom "Subventionsmoloch" Deutsche Bundesbahn befreit, das ist aber nicht der Fall. Die Bundesrepublik Deutschland bezahlt pro Jahr ca. 10 mrd € an die Deutsche Bahn AG für die Wartung der Infrastruktur und für das Betreiben des SPNV. Da sind die Kosten für über Bildungsgutscheine finanzierte Lokomotivführerausbildungen und ähnliches noch gar nicht mit drin. Wenn die Deutsche Bundesbahn 20 mrd DM pro Jahr gekriegt hätte, hätte man das Problem mit Streckenstillegungen nicht gehabt. Zumal die Infrastruktur damals in einem wesentlich besseren Zustand war, nicht nur daß die Gleise mehr und mehr verlottern, durch immer weniger Weichen, Ausweich- und Überholstellen verliert das Eisenbahnnetz an Leistungsfähigkeit und somit an Zuverlässigkeit, so daß im Ergebnis immer mehr Leute aufs Auto umsteigen, ganz einfach, weil das Verkehrsmittel Eisenbahn in Deutschland nicht mehr zuverlässig genug ist, man kann sich nicht auf Anschlüsse verlassen, man kann sich nicht darauf verlassen, daß man pünktlich ankommt, regelmäßige Pendler haben auch alle schon erlebt, daß Züge ganz ausfallen und vieles mehr.

  • Zitat

    Original von Harry Weston
    Einige Kennzahlen:


    [list]
    [*]Die Schienen der DB Netz AG, auf denen schneller als 159km/h gefahren wird, waren 2006 durchschnittlich 18,4 Jahre alt. 2005 waren es 18,2 Jahre.



    Naja. Zumindest hier trifft das nicht zu. Bis Ulm und rauf nach Mannheim liegen überall modernste Gleise aus. Auch die Oberleitung ist nigel nagel neu.

  • Zitat

    Original von Gerd S.
    Mit diesen Kennzahlen kann man zwar bei unkundigen Bürgern schlechte Stimmung gegen die Bahn machen, sie sind aber wenig aussagekräftig.


    In der Tat, das ist richtig. Ein Sprecher der Deutschen Bahn AG sagte zu diesem Thema: "Die Qualität der Infrastruktur kann man vielmehr daran messen, ob die Züge pünktlich und zuverlässig fahren." 2006 fuhr sich ein Zug auf 1.000 Kilometern durchschnittlich 5,65 Minuten Verspätung ein. 2005 waren es noch 4,37 Minuten. Weiterhin ist es ja so, daß in Schnellfahrstrecken sehr viel mehr investiert wird als in die Altbaustrecken in der Fläche, so daß die Durchschnittszahlen ein verklärtes Bild darstellen. Bis vor einigen Jahren waren auch die vielen Langsamfahrstellen im Netz ein Indiz für die Qualität der Infrastruktur, leider ist das Verzeichnis über Langsamfahrstellen seit einiger Zeit vertraulich.


    Zitat

    Außerdem ist der Begriff Schienen in diesem Zusammenhang falsch verwendet, es handelt sich um Gleise. Die eigentlichen Fahrschienen werden nach Bedarf durchaus eher ausgewechselt, ohne dass eine komplette Oberbauerneuerung stattfindet. Die Betonschwellen bleiben weiter in Verwendung, der Unterbau wird durchgearbeitet, die Fahrschienen gewechselt, das Gleis neu gestopft - und das findet oft abschnittsweise von der Öffentlichkeit weitgehend unbemerkt in den Nachtstunden statt und anschließend ist das Gleis wie neu gebaut. Ähnlich wird bei Weichen verfahren, Auswechseln von Verschleißteilen ohne großes Brimborium. Ob derartige Erhaltungsarbeiten in diese Statistik mit einbezogen worden sind, ist allerdings nicht ersichtlich.


    Fakt ist, daß die Deutsche Bahn AG im Zeitraum 2001 bis 2005 bereitliegende Gelder in Höhe von 1,5 mrd € für den Erhalt der Infrastruktur nicht abgerufen hat. Die Wartung der Eisenbahninfrastruktur wird jetzt durch die Bundesrepublik Deutschland finanziert, das wird sie auch in Zukunft, die künftigen Mitbesitzer müssen sich finanziell nicht daran beteiligen. Die Deutsche Bahn AG braucht die Mittel nur abzurufen, sie tut das aber nicht, weil diese umgesetzten Gelder, die sofort wieder in die Ausgaben fließen würden, die Umsatzrendite insgesamt schmälern würden, obwohl per saldo nicht mehr und nicht weniger Geld vorhanden wäre. Angenommen, die Deutsche Bahn AG hätte in diesem Zeitraum pro Jahr 300 mio € abgerufen, dann wäre der Umsatz um genau diese Summe gestiegen, allerdings wären auch die Ausgaben um genau diese Summe gestiegen, so daß die Bilanz vergrößert würde ohne daß die Gewinne entsprechend vergrößert würden. Im Moment geht es nur darum, sich auf einen Börsengang vorzubereiten, wenn die Deutsche Bahn AG allerdings mit dem Aktienkurs zu kämpfen hat, wovon nach den Erfahrungen mit der Deutschen Telekom AG auszugehen ist, wenn evtl. ein Einstieg ungewünschter Investoren abgewehrt werden soll, dann wird sich dieses Problem noch weiter verschärfen. Das wird insbesondere dann der Fall sein, wenn die Forderung Hartmut Mehdorns, dem Eisenbahnbundesamt Meßfahrten auf den Schienen zu verbieten, tatsächlich umgesetzt werden sollte, weil der Staat dann keine Kontrolle mehr über die Eisenbahninfrastruktur hat - es wäre dann nur eine Frage der Zeit, bis sich Unfälle wie in Hatfield wiederholen würden. Es ist übrigens bezeichnend, daß beide Meldungen fast zeitgleich reingekommen sind.


    Zitat

    Original von Br641
    Naja. Zumindest hier trifft das nicht zu. Bis Ulm und rauf nach Mannheim liegen überall modernste Gleise aus. Auch die Oberleitung ist nigel nagel neu.


    Es handelt sich um Durchschnittswerte. Das bedeutet nicht, daß die Gleise auf allen Strecken, die mit >159km/h befahren werden, exakt 18,4 Jahre alt sind, sondern das bedeutet, daß der frisch erneuerten Infrastruktur wesentlich ältere Infrastruktur gegenübersteht. Ein Rechenbeispiel:


    Die Eisenbahninfrastruktur auf der 100km langen Schnellfahrstrecke zwischen A-Stadt und B-Stadt ist zwei Jahre alt. Die Eisenbahninfrastruktur auf der 50km langen Schnellfahrstrecke zwischen C-Stadt und D-Stadt ist 30 Jahre alt und die Eisenbahninfrastruktur auf der 50km langen Schnellfahrstrecke zwischen E-Stadt und F-Stadt ist 40 Jahre alt. Das macht ein Durchschnittsalter von 18,4 Jahren ohne daß auch nur ein einziger Meter Gleis exakt 18,4 Jahre alt wäre.

  • Passend zum Thema kam heute folgende Meldung rein:


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    Die Nachrichtenmagazine Der Spiegel und Focus berichten in ihren am morgigen Montag (10.9.07) erscheinenden Ausgaben übereinstimmend darüber, daß es bei Schienen und Kunstbauten einen gewaltigen Investitionsstau gebe. Die Deutsche Bahn AG streitet das ab. Ein Sprecher sagte wörtlich, man wolle ein "sicheres und zugleich hoch leistungsfähiges Netz für den Personen- und Güterverkehr". Angesichts der Tatsache, daß es mehrere tausend Langsamfahrstellen gibt und angesichts der Tatsache, daß allein im Kalenderjahr 2006 ca. zweitausend Weichen aus dem Netz herausgerissen wurde, fragt man sich allerdings, wie realistisch ein solcher Anspruch ist.

  • Kurz vor den Feiertagen kam wieder eine Zahl in die Medien: 39 Euro. Im Jahr 2006 hat die Bundesrepublik Deutschland pro Einwohner 39 Euro in ihr Schienennetz investiert. Innerhalb der Europäischen Union liegt Deutschland damit auf dem drittletzten Platz, nur Ungarn und Griechenland steckten weniger Geld pro Einwohner ins Schienennetz. Spitzenreiter sind Belgien (172 Euro) und die Niederlande (159 Euro), die Schweizerische Eidgenossenschaft hat sogar 359 Euro pro Einwohner in die Eisenbahninfrastruktur gesteckt.


    Jetzt wird der eine oder andere wieder ankommen und mir Miesmacherei vorwerfen, der durchschnittliche Trainspotter findet Züge sowieso toll und solche Statistiken werden ja überhaupt nur veröffentlicht, um „beim bahnunkundigen Bürger Stimmung gegen die Bahn zu machen.“


    Lassen wir das außen vor, befassen wir uns einmal seriös mit dem Verkehrsträger Schiene. Dieser Verkehrsträger ist in Deutschland in einem absolut desolaten Zustand. Tausende Langsamfahrstellen, allein im Kalenderjahr 2006 verschwangen etwa 2000 Weichen aus dem Netz, die Verspätung, die Züge sich durchschnittlich einfahren werden infolge dessen immer mehr, Milliarden von Euro werden zur Verschlankung der Bilanz nicht mehr abgerufen.


    Gehen wir in die Zukunft, nicht 100 oder 200 Jahre, bleiben wir bei einem überschaubaren Zeitraum, 15 Jahre. Was glaubt Ihr, wie die Eisenbahn in Deutschland in 15 Jahren, im Jahr 2023 aussehen wird?

  • Zitat

    Original von Harry Weston
    Was glaubt Ihr, wie die Eisenbahn in Deutschland in 15 Jahren, im Jahr 2023 aussehen wird?


    Ganz einfach, wir haben ein paar schön ausgebaute Hauptstrecken, auf denen halbleere ICE´s ihre Bahnen ziehen und die Fläche wird, bis auf wenige Ausnahmen (z.B. Raum Karlsruhe) immer mehr veröden, genau das befürchte ich schon sein fast 20 Jahren.
    Nehmen wir einfach mal das Beispiel Murgtal, für die wenigen, die es nicht kennen es geht um die Strecke (Karlsruhe)-Rastatt-Gaggenau-Forbach-Baiersbronn-Freudenstadt. Hätten sich hier nicht die Gemeinden im Murgtal stark gemacht und bei der AVG (Albtal-Verkehrs-Gesellschaft) offene Ohren gefunden wäre diese Strecke inzwischen vermutlich stillgelegt. Logischerweise mit den üblichen Verfahren, Reisendenzählung, daraufhin Ausdünnung des Fahrplanes, erneute Zählung, und hach, wie ungewöhnlich, es fahren ja noch weniger Leute als im letzten Jahr (an diesem Punkt war das Murgtal schon).


    Wenn man sich dann noch überlegt, wie der berühmte "Otto Normalverbraucher" die Bahn nutzt, kann dies eigentlich nur der falsche Weg sein. Ich nehm jetzt einfach mal mich selbst als Beispiel. Für den Weg zu meiner Arbeitsstelle kann ich aufgrund meiner Arbeitszeiten keine öffentlichen Verkehrsmittel (ausser Taxi) benutzen, da diese um diese Uhrzeit nicht verkehren. Trotzdem nutze ich die Bahn an etwa 40 bis 50 Tagen im Jahr, macht also etwa 80 Einzelfahrten. Von diesen 80 Fahrten sind maximal vier im Fernverkehrsbereich, der Rest teilt sich auf in Innerstädtischen Nahverkehr und den Flächenverkehr (meist Schwarzwald oder Südpfalz).
    Noch dazu, mal angenommen, ich würde nicht nahe an einem "Knoten" (Karlsruhe) wohnen sondern, sagen wir mal, in Gaggenau. Gäbe es die Murgtalbahn als Zubringer nach Karlsruhe nicht, müßte ich schon mal ins Auto steigen, mir in Karlsruhe einen, meist recht teuren, gebührenpflichtigen, Parkplatz suchen und dann mit dem Zug weiter. Also entschuldigung, da überleg ich mir doch zweimal, ob ich dann nicht gleich in meiner Blechkiste hocken bleibe und den Rest bis Frankfurt oder so auch noch mit dem Auto fahre.


    Gruss
    Wolfgang


    PS. Ich weiß, diese Meinung ist, so oder ähnlich, wahrscheinlich schon öfter geäußert worden, aber es ist doch einfach auch so.

  • Eigenwirtschaftlich wird es, wenn die DB an der Börse ist, nur einige wenige Edel-ICE geben. Da wird der InterCity dem InterRegio in die ewigen Bahngründe folgen und von Flächenerschließung im Fernverkehr wird dann nicht mehr die Rede sein können.


    Nun wird ein Großteil des Personenverkehrs aber bestellt. Es gibt ja schon öffentlich bestellte Inter-Regio-Ersatzzüge (IRE), was nach der Abschaffung des InterCity passiert, muß man dann sehen.


    Nun kann aber auch der SPFV überhaupt nur deshalb eigenwirtlichschaftlich funktionieren, weil die Infrastruktur vom Staat gestellt wird. Die Fernzüge, die richtig Geld bringen, die ICE auf Schnellfahrtrassen, die wären, würde man die Kosten für diese Schnellfahrtrassen einrechnen, gewaltige Verlustgeschäfte. Die Eisenbahn ist und bleibt für den Staat ein Zuschußgeschäft, aber die Einnahmen sollen halt an die Börse.


    Die Entscheidung über Nahverkehr ist nach wie vor eine politische, die Mittelkürzungen für den SPNV haben aber gezeigt, daß man kein politisches Interesse mehr daran hat, dazu kommen vermutlich steigende Trassenpreise nach einem Börsengang, was die Kosten für den SPNV weiter in die Höhe treiben wird. Die Bundesnetzagentur ist hier ziemlich machtlos, die personelle Unterbesetzung ist eine Katastrophe.


    Ich glaube aber nicht mehr an eine Privatisierung. Die Frage ist nur, wohin diese Bahn anstelle der Privatisierung gehen wird. Der Konzern wurde zehn Jahre lang auf Börse getrimmt und jetzt kommt aber keine Börse. Was nun? Wird man eine Flächenbahn anstreben? Wird man, wie im Flugverkehr, ein paar Schnellfahrzüge nach dem System Hub&Spoke fahren lassen? Was passiert mit dem Nahverkehr? Das alles sind Dinge, die momentan in der Schwebe sind.

  • Ein "schönes" Beispiel hierfür ist z.B Liebenau.
    Dieses Idyllische Fleckchen an der Diemel hat einen Bahnhof an der KBS 430 Kassel - Warburg. Allerdings halten hier seit Dez. 2006 nur noch 3 Regiotrams am Tag, nämlich die einzigen, die Warburg noch mit Kassel neben dem IC von Dortmund / Düsseldorf und dem RE Hagen - Kassel bedienen. Das sind 2 morgens und nochmal eine am Abend. Der RE und der IC fahren im 2 Stundentakt, der RE hält aber erst in Hofgeismar. Einzig von Hümme fahren regelmäßig Regiotrams nach Kassel. Liebenauer müssen also mit dem Auto bzw. mit dem Fahrrad nach Hümme fahren. Der Liebenauer Bahnhof ist zu einem Geisterbahnhof geworden, wo die zusehends verkommenden Bahnhofsgebäude wehmütig an bessere Zeiten erinnern.

  • Langsam fühle ich mich hier wie am Stammtisch.


    Dass die Liegedauer der Gleise, und auch der Schienen allein, länger wird ist doch beabsichtigt. In den vergangenen 30 bis 40 Jahren wurde immer schwereres Gleismaterial eingebaut. Das sind immer massivere Betonschwellen, jetzt auch unter Weichen, die UIC60-Schienen mit einem Metergewicht von 60 kg und härterem, verschleißfesterem Stahl (die frühere Standardschiene S49 wog 49 kg), die Feste Fahrbahn, die möglichst 60 Jahre halten soll. Neue Gleise werden durch unter dem Schotterbett eingebaute Folien und Matten gegen aufsteigenden Schlamm geschützt. Die UIC60-Schiene muss nicht mehr turnusmäßig nach einer bestimmten Lastwechselzahl (Achszahl) ausgetauscht werden, sondern darf bis zur Grenzabnutzung runtergefahren werden. Der regelmäßige Instandhaltungsaufwand hat sich drastisch vermindert. Das sind doch alles positive Aspekte. Weil die Zahlen Durchnittswerte über alle Gleisbauarten hinweg sind, werden sie immer größer, je mehr alte Gleise aufgearbeitet sind, also je weiter sich der technisch hochwertige Oberbau verbreitet. Die besseren Materialien tauchen inzwischen schon in Nebengleisen auf. Der logische Schluss ist: Die Gleise werden immer besser.


    Wegen der Qualität des Netzes müsstet Ihr Euch an den Bund wenden, der ist der Eigentümer. Wegen der Ausdünnung von Regio-Fahrplänen ist das Bundesland der richtige Ansprechpartner. Die Bahn, egal welche, fährt das was das Land bestellt. Warum müsst Ihr immer auf den Mehdorn eindreschen? Der hat zwar persönliche Ziele, aber wo's lang geht bestimmen die Politiker.


    Gruß, Hallole