Die Eisenbahninfrastruktur wird immer älter

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    Original von Hallole
    Dass die Liegedauer der Gleise, und auch der Schienen allein, länger wird ist doch beabsichtigt.


    Das ist richtig, aber auch nur die halbe Wahrheit. Der Threadtitel ist sicherlich ungünstig gewählt, es gibt nämlich weitere Indikatoren, die auf ein Schlechterwerden der Infrastruktur hinweisen.




    Zitat

    Das sind doch alles positive Aspekte. Weil die Zahlen Durchnittswerte über alle Gleisbauarten hinweg sind, werden sie immer größer, je mehr alte Gleise aufgearbeitet sind, also je weiter sich der technisch hochwertige Oberbau verbreitet. Die besseren Materialien tauchen inzwischen schon in Nebengleisen auf. Der logische Schluss ist: Die Gleise werden immer besser.


    Das mag teilweise richtig sein. Es gibt aber auch weitere Indikatoren.


    Im Kalenderjahr 2006 verschwanden rund 2.000 Weichen aus dem Netz. Die Belastbarkeit und Flexibilität hat also abgenommen. Eine der Folgen war, daß ein Zug sich 2006 pro 1.000 Kilometer durchschnittlich 5,65 Minuten Verspätung eingefahren hat. 2005 waren es noch 4,37 Minuten. Auch mehrere tausend Langsamfahrstellen sorgen ihrerseits dafür, daß das Verkehrsmittel Eisenbahn an Zuverlässigkeit verliert.


    Zitat

    Wegen der Qualität des Netzes müsstet Ihr Euch an den Bund wenden, der ist der Eigentümer.


    Ich hätte nicht geglaubt, daß ich einmal in die Situation komme, die aktuelle Verkehrspolitik verteidigen zu müssen. Aber mehr als bereitlegen kann der Bund das Geld nicht, abrufen muß die DB Netz AG es dann selbst. Herr Tiefensee kann nicht jeden Euro persönlich verplanen. Zwischen 2001 und 2005 wurden 1.500.000.000,00 €uro zur Wartungs der Eisenbahninfrastruktur nicht abgerufen, die betriebswirtschaftlichen Gründe habe ich bereits erläutert. Ich schrieb:


    Die Deutsche Bahn AG braucht die Mittel nur abzurufen, sie tut das aber nicht, weil diese umgesetzten Gelder, die sofort wieder in die Ausgaben fließen würden, die Umsatzrendite insgesamt schmälern würden, obwohl per saldo nicht mehr und nicht weniger Geld vorhanden wäre. Angenommen, die Deutsche Bahn AG hätte in diesem Zeitraum pro Jahr 300 mio € abgerufen, dann wäre der Umsatz um genau diese Summe gestiegen, allerdings wären auch die Ausgaben um genau diese Summe gestiegen, so daß die Bilanz vergrößert würde ohne daß die Gewinne entsprechend vergrößert würden.


    Zitat

    Wegen der Ausdünnung von Regio-Fahrplänen ist das Bundesland der richtige Ansprechpartner. Die Bahn, egal welche, fährt das was das Land bestellt.


    Wobei die Kostensteigerungen für den SPNV durch steigende Trassenpreise natürlich ein Problem sind. Hier hat die Deutsche Bahn AG ein natürliches Monopol und kann schalten und walten wie sie möchte. Und jetzt kommt bitte niemand mit der Bundesnetzagentur, außer Herrn Tiefensee glaubt wohl niemand, daß die Bundesnetzagentur ernsthaft in der Lage wäre, Wucherei bei Trassenbenutzungsgebühren im großen Stil zu verhindern. Die Bundesnetzagentur ist ein zahnloser Tiger und eine Alibibehörde.


    Wobei Du nicht ganz unrecht hast, die Verkehrspolitik vieler Länder läuft falsch. Der tiefschwarze Freistaat im Süden der Republik macht hier eine vorbildliche Eisenbahnpolitik, in Nordrhein-Westfalen liegt die Schiene schon länger brach, sowohl unter Wittke als auch früher unter Horstmann.


    Zitat

    Warum müsst Ihr immer auf den Mehdorn eindreschen? Der hat zwar persönliche Ziele, aber wo's lang geht bestimmen die Politiker.


    So sollte das sein, aber ich denke, Du weißt so gut wie ich, daß Mehdorn die Verkehrspolitiker vor sich hertreiben kann wie es ihm gefällt.


    Mehdorn ist nicht die Ursache des Problems, Mehdorn erfüllt einen Auftrag, den ihm der Bund gegeben hat. Die Verantwortung für die Tatsache, daß die Eisenbahn in Deutschland in einem äußerst desolaten Zustand ist, liegt bei unseren Verkehrspolitikern, das ist richtig. Die Deutsche Bahn AG hier aber als völlig unbeteiligt hinzustellen, trifft den Kern der Sache aber ebenfalls nicht.

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    ... Du weißt so gut wie ich, daß Mehdorn die Verkehrspolitiker vor sich hertreiben kann wie es ihm gefällt.


    Das ist der einzige Punkt, in dem ich Dir rückhaltlos zustimme. Herrn Mehdorn ist es gelungen, sich eine Unentbehrlichkeit zu verschaffen, die weder Herr Dürr noch Herr Ludewig vorweisen konnten. Weder die zerstrittene große Koalition noch speziell Herr Tiefensee können ihm Paroli bieten. Trotzdem bleibt es dabei: Wer zahlt, schafft an. Der 100%-Eigner könnte, auf die Gefahr hin Mehdorn zu verlieren, die Richtung vorgeben - einschließlich des Auftrags die 1,5 Mrd wie vorgesehen zu verbraten.


    Am Besten schickst Du Deine gesammelten Werke an die Regierungen des Bundes und der Länder und an die Parteien. Du könntest auch einer eisenbahnfreundlichen Partei beitreten oder selber eine gründen. Hier im Forum kannst Du zwar Dampf ablassen, aber helfen wird es nichts.


    Du hast gute Chancen. Der heutige Geschäftsführer des Verkehrsverbundes Rhein-Neckar (VRN), Werner Schreiner, hat seine Karriere vor zwanzig Jahren als ewig über die Bundesbahn und den Nahverkehr meckernder Schullehrer begonnen. Als es den Verantwortlichen bei Bahn und Politik zu lästig wurde, haben sie ihn in Fachgremien eingebunden. Heute lobt er sich vor allem selbst.


    Gruß, Hallole

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    Original von Harry Weston


    Im Kalenderjahr 2006 verschwanden rund 2.000 Weichen aus dem Netz. Die Belastbarkeit und Flexibilität hat also abgenommen. Eine der Folgen war, daß ein Zug sich 2006 pro 1.000 Kilometer durchschnittlich 5,65 Minuten Verspätung eingefahren hat. 2005 waren es noch 4,37 Minuten. Auch mehrere tausend Langsamfahrstellen sorgen ihrerseits dafür, daß das Verkehrsmittel Eisenbahn an Zuverlässigkeit verliert.


    Ja es werden auch jede menge Strecken Stillgelegt.
    hier: http://www.vergessene-bahnen.de/Ex508_1.htm
    Seit 1988 kein Personenverkehr mehr, und 2005 vollständig Stillgelegt.
    Mittlerweile ist die Strecke so verwuchert, daß erstmal einige Tausend Euro für die wiederherrichtung ausgegeben werden müssten, um die Strecke wieder nutzen zu können.
    Rein Theoretisch würde sich Personenverkehr sogar lohnen, da es mittlerweile viel bessere anschlußmöglichkeiten als zur Zeit der Stillegung gibt.


    An anderen stellen wurde ein Bahnhof mit 4 neuen Bahnsteigen, und Rollstuhlgeeigneter unterführung für ein paar Regionalzüge am Tag gemacht.
    Die alten Bahnsteige waren schon noch in gutem zustand, nur leider nicht so hoch, daß man in den Zug einsteigen kann ohne die Treppe am Zug zu benutzen.
    Übrigens: Rollstuhlfahrer hab ich dort noch nie gesehen...

    Einmal editiert, zuletzt von Karlsruher Kopf ()

  • Hallo, Karlsruher Kopf,


    wie kommst Du so hoch in den Norden nach Südpreußen?


    Dass die Bahn die Strecke wieder in Betrieb nimmt, ist nicht zu erwarten. Du könntest sie aber retten. Bewaffne Dich mir einer guten Digitalkamera und speichere, bevor das Räumkommando anrückt, alles was Du vor die Linse kriegen kannst auf Deiner Festplatte. Dann sicherst Du das Ganze mindestens drei mal auf verschiedenen Datenträgern. Jetzt kannst Du in aller Ruhe die Strecke in Loksim nachbauen. Davon haben wir alle was. Wie wärs?


    Gruß, Hallole, frechgrinsend

  • Zitat

    Original von Hallole
    wie kommst Du so hoch in den Norden nach Südpreußen?


    Dass die Bahn die Strecke wieder in Betrieb nimmt, ist nicht zu erwarten. Du könntest sie aber retten. Bewaffne Dich mir einer guten Digitalkamera und speichere, bevor das Räumkommando anrückt, alles was Du vor die Linse kriegen kannst auf Deiner Festplatte. Dann sicherst Du das Ganze mindestens drei mal auf verschiedenen Datenträgern. Jetzt kannst Du in aller Ruhe die Strecke in Loksim nachbauen. Davon haben wir alle was. Wie wärs?


    Gruß, Hallole, frechgrinsend


    Hessen und Bayern sind doch nicht im Norden oder?
    Südpreußen?


    Wie das mit dem Nachbauen geht davon hab ich absolut keine ahnung.

  • Na, ich dachte, weil Du Dich nach einem Steuerwagen aus Karlsruhe benennst, kommst Du auch von da.
    Und dann liegt Hessen im Norden. Noch während der Weimarer Republik lag die Sinntalbahn (teilweise) auf preußischem Staatsgebiet (Südpreußen).


    Du bist noch jung genug, um den Loksim-Editor zu lernen, ganz im Gegensatz zu mir.


    Gruß, Hallole

  • Zitat

    Original von Hallole
    Du bist noch jung genug, um den Loksim-Editor zu lernen, ganz im Gegensatz zu mir.


    Na na na, wenn man nur will, geht alles! Egal wie alt man ist...

  • Zitat

    Original von Hallole
    Na, ich dachte, weil Du Dich nach einem Steuerwagen aus Karlsruhe benennst, kommst Du auch von da.
    Und dann liegt Hessen im Norden. Noch während der Weimarer Republik lag die Sinntalbahn (teilweise) auf preußischem Staatsgebiet (Südpreußen).


    Du bist noch jung genug, um den Loksim-Editor zu lernen, ganz im Gegensatz zu mir.


    Gruß, Hallole


    Nein ich komme nicht aus Karlsruhe,
    Sondern ich mag nur diesen Steuerwagen.
    Ich komme aus dem Sinntal.
    An den Editor traue ich mich noch nicht.
    Das erstellen einer Strecke ist doch ein sehr großer aufwand, und so schnell wird die Strecke bestimmt auch nicht plattgemacht.

  • Ich als Chef vom VRR ... nette Vorstellung.


    @ Karlsruher Kopf


    Zitat

    Rein Theoretisch würde sich Personenverkehr sogar lohnen, da es mittlerweile viel bessere anschlußmöglichkeiten als zur Zeit der Stillegung gibt.


    Lohnen ist immer so eine Sache, aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnt sich Eisenbahn überhaupt nicht, und aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kann man solange rumrechnen, bis man das gewünschte Ergebnis erzielt hat. Aktuell hat Herr Wittke das ja mit seiner IGVP machen lassen. Da wird eine Trasse durch ein mit Industriemüll verseuchtes Gebiet geplant und die IGVP rechnet den Flächenverbrauch ein. Möglicherweise will Herr Wittke sich in dem Industriemüll ein Eigenheim bauen, sonst vermutlich aber niemand. Oder man kann bei der Zahl der zu erwartenden Fahrgäste ziemlich beliebig sein. Ich erinnere nur an die S28: „Mehr als 16.000 Fahrgäste pro Tag kann es auf der Relation Kaarster See – Mettmann Stadtwald gar nicht eben.“ Heute sind es über 20.000 und bedingt durch fehlende Zuschüsse für zusätzliches Rollmaterial (Dreifachtraktion zur Hauptverkehrszeit) ist das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht. Aber diese Relation ist eine von vielen, die noch vor zehn Jahren durch einen städteübergreifenden Schnellbus ersetzt werden sollte, heute fahren dort tausende von Menschen. Soviele Strecken hätte man beibehalten können. Der Glaube, man würde das Defizit senken, indem man das Angebot einschränkt, weil sich die definierte Anzahl an Fahrgästen dann auf weniger Züge verteilt, ist falsch, das sollte sich inzwischen selbst bis zu Herrn Wittke rumgesprochen haben. Die Anzahl der Fahrgäste ist hochdynamisch, und wenn man das Angebot erweitert, Taktverkehr, Taktverstärkung, längere Bedienzeiten, Bedienung auch am Wochenende und vieles mehr, hat man sehr viele Leute auf die Schiene gebracht und der Gesamtverlust ist u.U. gar nicht höher. Daß eine autofeindliche Verkehrspolitik nicht die Lösung sein kann, wissen wir inzwischen auch. Die vielen autofeindlichen Innenstädte haben seit den 70er Jahren zu deren Verödung beigetragen. Bereits 1981 haben Wuppertaler Wissenschaftler erstmals darauf hingewiesen, daß bedingt durch Parkgebühren eine enorme Kaufkraftabwanderung in den Bochumer Ruhrpark besteht, der über die von mir an anderer Stelle bereits mehrfach erwähnte A43 für Wuppertaler sehr gut zu erreichen ist. Ein anderes Extrembeispiel ist Witten, die Innenstadt ist eine Paradebeispiel für Verödung, sie besteht im wesentlich nur aus Handy- und Billigläden, selbst das gemeinsam von Kaufhof und Saturn-Hansa genutzte Kaufhaus kann dem nichts entgegensetzen, die Kauflandansiedlung hat 2005 ebenfalls keinen Erfolg gebracht. Die Leute müssen horrende Parkgebühren zahlen, sie fahren dann ebenfalls lieber in den Ruhrpark, wo sie kostenlos parken können.


    Zitat

    An anderen stellen wurde ein Bahnhof mit 4 neuen Bahnsteigen, und Rollstuhlgeeigneter unterführung für ein paar Regionalzüge am Tag gemacht.
    Die alten Bahnsteige waren schon noch in gutem zustand, nur leider nicht so hoch, daß man in den Zug einsteigen kann ohne die Treppe am Zug zu benutzen.
    Übrigens: Rollstuhlfahrer hab ich dort noch nie gesehen...


    Barrierefreie Zugänge sind ebenso Bestandteil des modernen Schienenverkehrs wie der Taktfahrplan. Es müssen nicht immer Aufzüge sein, man kann auch Rampenlösungen einsetzen, wobei der Flächenverbrauch dadurch natürlich sehr viel höher wäre, im Gegenzug sinkt die Investitionssumme, auch Ausfall durch technische Fehler oder gar Vandalismus sind ausgeschlossen, einen Kosten-Nutzen-Vergleich kann man hier nur für jeden Bahnhof / Haltepunkt individuell erstellen, nicht pauschal. Eine Kosten-Nutzen-Analyse mit der Fragestellung, ob sich ein behindertengerechter Ausbau überhaupt lohnt halte ich allerdings für grundverkehrt. Den Nutzen behindertengerechter öffentlicher Einrichtungen kann man nicht in Zahlen angeben, auch nicht in einheitslosen Werten. Gehbehinderte Menschen müssen den SPNV und den ÖPNV ohne fremde Hilfe erreichen können. Daß ein barrierefreier Bahnsteigszugang nichts nutzt, wenn der Bahnsteig 76cm hat, die S-Bahn aber mit 96cm angefahren kommt, ist eine andere Problematik. Hier liegt ebenfalls noch sehr viel im argen.

  • Zitat

    Original von Harry Weston
    ... aus betriebswirtschaftlicher Sicht lohnt sich Eisenbahn überhaupt nicht, und aus gesamtwirtschaftlicher Sicht kann man solange rumrechnen, bis man das gewünschte Ergebnis erzielt hat.


    Der erste Teil des Satzes stimmt nur, wenn man Eisenbahnverkehr als Teil der Daseinsvorsorge begreift und jeder Milchkanne einen Bahnsteig gönnen will. Milchkanne stammt von Herrn Mehdorn. Er hat den Terminus im Zusammenhang mit der Umfahrung des Knotens Mannheim durch einen Neubaustrecke gebraucht. Seither hat er in Mannheim einen schweren Stand. Bei Beschränkung auf wenige stark nachgefragte Relationen kann sich Eisenbahn durchaus rechnen. Eisenbahn war, solange ich damit zu tun hatte, eine Gratwanderung zwischen diesen beiden Polen.


    Der Nahverkehr, wie auch der Güterverkehr, die beide etwa gleich langsam sind, wurden zu Bundesbahnzeiten immer als lästige Verpflichtung und als Hemmnis für den Aufbau eines schnellen Fernverkehrs betrachtet. Nahverkehr wurde regelrecht kaputt gerechnet, um die Stilllegung von Nebenstrecken zu rechtfertigen und die Hauptstrecken von Bummelzügen zu entlasten. Soviel zum zweiten Teil Deines Satzes.


    Mit der Bahnreform, die die Zuständigkeit des Regionalverkehrs auf die Länder übertrug, in Verbindung mit zu Anfang ansehnlichen Zuschüssen, trat ein Umschwung ein. Eine saubere Trennungsrechnung zeigte, dass der Nahverkehr viel preiswerter ist, als früher behauptet. Es gab plötzlich mutige, aus früherer Sicht geradezu abenteuerliche Investitionen ins Nebenstreckennetz.


    Es wurden Anlagen radikal auf das Notwendigste zurückgebaut (Einsparung von Weichen, Signalen und Gleiskilometern), Gleise saniert (Geschwindigkeitserhöhung und Beseitigung von La-Stellen), Bahnsteige repariert und erhöht (Bessere Zugänglichkeit und attraktives Erscheinungsbild), personalaufwendige Stellwerke und BÜ-Sicherungen beseitigt bzw. reduziert (macht sich besonders bei Zügen in Tagesrandlage extrem kostensenkend bemerkbar), neue, bequeme Triebwagen für Einmannbetrieb beschafft (einladendes Aussehen, kürzere Reisezeiten durch höhere Motorleistung, geringerer Personalbedarf), Strecken(teile) nachelektrifiziert (bessere Beschleunigung der E-Triebwagen, Fahrzeuglangläufe bzw. durchgehende Verbindungen ohne Umsteigezwang), Fahrpläne verdichtet und auf Taktverkehr umgestellt (Eisenbahn ist plötzlich so einfach wie Straßenbahn).


    Die viel gescholtenen elektronischen Stellwerke (gell, Harry?) mit ihrer praktisch unbegrenzten Reichweite und der Möglichkeit alle nur denkbaren Sicherungseinrichtungen problemlos einzubinden und zentral zu steuern, haben wesentlich zur Kostensenkung beigetragen.


    Auf einmal ist der Eisenbahn-Nahverkehr wieder für viele Menschen eine ernst zu nehmende Alternative - die Fahrgastzahlen steigen. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen reißen sich geradezu darum Regionalverkehr fahren zu dürfen. Der ist zu einem attraktiven Wirtschaftszweig geworden.


    Gruß, Hallole

  • Zitat

    Original von Hallole


    Der erste Teil des Satzes stimmt nur, wenn man Eisenbahnverkehr als Teil der Daseinsvorsorge begreift und jeder Milchkanne einen Bahnsteig gönnen will. Milchkanne stammt von Herrn Mehdorn. Er hat den Terminus im Zusammenhang mit der Umfahrung des Knotens Mannheim durch einen Neubaustrecke gebraucht. Seither hat er in Mannheim einen schweren Stand. Bei Beschränkung auf wenige stark nachgefragte Relationen kann sich Eisenbahn durchaus rechnen.


    Eisenbahn ist Daseinsvorsorge des Staates. Und ja, der Hochgeschwindigkeitsverkehr ist für die DB Fernverkehr AG profitabel, der InterCity in der Fläche ist es nicht. Aber je profitabeler der Hochgeschwindigkeitsverkehr selbst ist, desto kostenintensiver wird die Infrastruktur. Wenn man also die Eisenbahn als Gesamtprinzip sieht, werden die höheren Einnahme aus dem Hochgeschwindigkeitsbetrieb durch die höheren Ausgaben für die Infrastruktur wieder aufgefressen. Dazu kommt die Problematik, daß ein privater Kapitalinvestor überall investieren kann. Es muß also gute Gründe für eine Investition in die Eisenbahn sprechen. Bei der Deutschen Bahn AG sind diese guten Gründe die staatliche garantierte Rendite.


    Zitat

    Der Nahverkehr, wie auch der Güterverkehr, die beide etwa gleich langsam sind, wurden zu Bundesbahnzeiten immer als lästige Verpflichtung und als Hemmnis für den Aufbau eines schnellen Fernverkehrs betrachtet. Nahverkehr wurde regelrecht kaputt gerechnet, um die Stilllegung von Nebenstrecken zu rechtfertigen und die Hauptstrecken von Bummelzügen zu entlasten. Soviel zum zweiten Teil Deines Satzes.


    Der Unterschied ist, daß die Deutsche Bundesbahn den Nahverkehr eigenwirtschaftlich betreiben mußte. Einerseits hat man von der Deutschen Bundesbahn flächendeckenden Eisenbahnnahverkehr verlangt, andererseits waren Bezeichnungen wie "Subventionsmoloch" oder "Mißwirtschaftssumpf" aus der Politik üblich. Erst nach der Bahnreform gab es feste Vereinbarungen über die Finanzierung des Nahverkehrs, der defizitäre Nahverkehr muß jetzt eben nicht mehr durch konsumtive Schulden gedeckt werden, sondern wird finanziert.


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    Mit der Bahnreform, die die Zuständigkeit des Regionalverkehrs auf die Länder übertrug, in Verbindung mit zu Anfang ansehnlichen Zuschüssen, trat ein Umschwung ein. Eine saubere Trennungsrechnung zeigte, dass der Nahverkehr viel preiswerter ist, als früher behauptet. Es gab plötzlich mutige, aus früherer Sicht geradezu abenteuerliche Investitionen ins Nebenstreckennetz.


    Der Nahverkehr wurde immer "vor Ort" geplant, was früher die lokalen Bundesbahndirektionen gemacht haben, machen heute die Aufgabenträger. Die Deutsche Bundesbahn hatte einen riesigen Wasserkopf, die Deutsche Bahn AG nicht? Nein, denn solche Organisationen haben nun die örtlichen Aufgabenträger übernommen, gemacht werden müssen sie. Stell Dir mal vor, die Deutsche Bundesbahn hätte ein externes Ingenieurbüro mit der Entwicklung eines landesweiten ITF beauftragt? Der NRW-Takt wurde von einem schweizer Ingenieurbüro entwickelt, der Bayerntakt wurde von Wolfgang Hesses Optitakt entwickelt. Und Zuschüsse für den SPNV gibt es bis heute. Im Jahr 2008 etwa knapp 7.000.000.000,00€.


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    Es wurden Anlagen radikal auf das Notwendigste zurückgebaut (Einsparung von Weichen, Signalen und Gleiskilometern)


    Den Erfolg dieses Rückbauwahnsinns sehen wir im täglichen Betrieb. Wenn ein Zug drei Minuten Verspätung hat, müssen andere warten, weil die nächste Überholmöglichkeit eben nicht mehr in vier sondern erst in vierzig Kilometern ist, Umleitungen im Fall von Störungen sind dann nicht mehr ohne weiteres möglich und vieles mehr. Das Netz verliert an Flexibilität.



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    Gleise saniert (Geschwindigkeitserhöhung und Beseitigung von La-Stellen), Bahnsteige repariert und erhöht (Bessere Zugänglichkeit und attraktives Erscheinungsbild), personalaufwendige Stellwerke und BÜ-Sicherungen beseitigt bzw. reduziert (macht sich besonders bei Zügen in Tagesrandlage extrem kostensenkend bemerkbar), neue, bequeme Triebwagen für Einmannbetrieb beschafft (einladendes Aussehen, kürzere Reisezeiten durch höhere Motorleistung, geringerer Personalbedarf), Strecken(teile) nachelektrifiziert (bessere Beschleunigung der E-Triebwagen, Fahrzeuglangläufe bzw. durchgehende Verbindungen ohne Umsteigezwang), Fahrpläne verdichtet und auf Taktverkehr umgestellt (Eisenbahn ist plötzlich so einfach wie Straßenbahn).


    Die Beseitigung von La-Stellen, naja. Es sind mehrere tausend im Netz. Aber ansonsten hast Du recht, es ist nach der Bahnreform sehr viel in den Nahverkehr investiert worden - vom Staat. Die Bundesrepublik Deutschland hat den Abbau des Investitionsstaus finanziert, den die Deutsche Bundesbahn aufgrund von mangelnden Zuschüssen aufgebaut hat, finanziert.


    Die Allianz pro Schiene hat 16 erfolgreiche Beispiele in einem Dossier veröffentlicht.


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    Die viel gescholtenen elektronischen Stellwerke (gell, Harry?) mit ihrer praktisch unbegrenzten Reichweite und der Möglichkeit alle nur denkbaren Sicherungseinrichtungen problemlos einzubinden und zentral zu steuern, haben wesentlich zur Kostensenkung beigetragen.


    Du hast offensichtlich meine Kritik am Bau Elektronischer Stellwerke nicht verstanden: Ich habe nichts gegen diese Technologie, wichtig ist in meinen Augen aber, daß die Investition in einem guten Verhältnis zur jährlichen Einsparsumme steht. Der Staat bezahlt die Investition, die Deutsche Bahn AG kriegt die jährliche Einsparsumme. Überhaupt funktioniert diese ganze Bahnreform nur, weil die Kosten weiterhin vom Staat getragen werden.


    Bereits 1957, also vor über 50 Jahren und vor dem Beginn des großen Nebenbahnsterbens, hätte man ferngesteuerte Stellwerke realisieren können. Das bedeutet, daß man viele Nebenbahnen mit Ausweichstellen hätte ausstatten können ohne daß es personellen Mehraufwand bedeutet hätte. Hiermit hätte man viele Nebenbahnen durch ein attraktiveres Angebot retten können - wenn man gewollt hätte.


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    Auf einmal ist der Eisenbahn-Nahverkehr wieder für viele Menschen eine ernst zu nehmende Alternative - die Fahrgastzahlen steigen. Die Eisenbahnverkehrsunternehmen reißen sich geradezu darum Regionalverkehr fahren zu dürfen. Der ist zu einem attraktiven Wirtschaftszweig geworden.


    Richtig, es gibt massenhaft StartUp-EVUs, die im SPNV Fuß fassen wollen. Hier kann ja auch nahezu ohne unternehmerisches Risiko Geld verdient werden: Das Betreiben von Zugleistungen im SPNV ist ein öffentlicher Auftrag, der wird ausgeschrieben und vergeben. Die Länder bezahlen die Bahnen um bestimmte Zugkilometer zu leisten. Leasingsgesellschaften für Rollmaterial sorgen zudem dafür, daß solcherlei Unternehmungen nahezu gänzlich ohne Eigenkapital getätigt werden können.