http://www.spiegel.de/sport/fussball/0,1518,660541,00.html
Noch ein PU, der glorifiziert wird... Ich habe dem SPIEGEL folgenden Brief geschickt; ich hoffe, ich werde nicht der einzige sein, der die Schreiber mal auf diese Problematik hinweist. (Ja, ich weiss ich bin ein katastrophaler Briefeschreiber, ich hatte 7NP in Deutsch...)
Jedenfalls bin ich zuversichtlich, dass es eine Reaktion gibt; der SPIEGEL ist ja nicht eine gewisse grosse Zeitung aus Hamburg, die nur der Sensation nachjagt, sondern eine Hochqualitaetszeitschrift, die noch der wahren journalistischen der Wahrheitssuche verpflichtet ist.
Sehr geehrte Damen und Herren,
der Beruf des Eisenbahners hat eine leider alltaegliche Schattenseite, das, was man offiziell und privat in Eisenbahnerkreisen euphemistisch einen PU nennt - die Abkuerzung steht fuer Personenunfall. Natuerlich passt das Wort nicht, es ist kein Unfall - aber noch weniger passt das von Ihnen, ich meine hier die Journalisten allgemein (ich verweise auch z.B. auf den Fall Ex-Milliardaer Merckle), benutzte Wort "Selbstmord". Ich will hier nicht ueber das moralische Recht zum Suizid schreiben; ich finde, jeder Mensch hat es, aber das ist nicht das Thema jetzt.
Mir geht es um etwas anderes. Wieso passt das Wort Selbstmord nicht? Was heisst es denn? Selbst-Mord, also der Prozess des Toetens seiner selbst. Wer Selbstmord begeht, ist unter Umstaenden zu bewundern, denn unter Umstaenden kann das der einzige moralisch/ethisch vertretbare Ausweg sein. Aber wer sich vor den Zug wirft oder stellt, ist ein Feigling, und nichts, aber auch gar nichts rechtfertigt ihn. Wer sich vor den Zug wirft, toetet sich nicht. Er zwingt einen voellig unbeteiligten Menschen, den Ef (Eisenbahnfahrzeugfuehrer) ("Lokfuehrer"), ihn zu toeten. Ethisch ist das genau das gleiche, wie wenn dieser jemand eine Pistole nimmt und andere Menschen als Geisel nimmt, um den Polizeibeamten zu zwingen, ihn zu erschiessen.
Wer jemanden zwingt, ihn zu toeten, ist kein Selbstmoerder. Er ist ein Feigling hoechsten Grades, der es nicht ein Mal wagt, sich selbst etwas anzutun, und, vor allem, ein Egoist schlimmster Art, der ueber Leichen geht und sich nicht im geringsten darum schert, wie es dem Eisenbahner vorn in seinem Fuehrerstand geht. Durchschnittlich passiert das jedem Eisenbahner, je nach Quelle, anderthalb bis zweieinhalb Mal pro Laufbahn - ich habe aber auch schon Eisenbahner getroffen, im Fernverkehrsdienst, einer der in 23 Jahren Dienstzeit 21 solcher Feiglinge hatte, oder einen, der binnen zwei Monaten gleich drei Faelle hatte. Und als Aussenstehender, und das bin ich ja, kriegt man die haertesten Faelle nicht mit.
Stellen Sie sich doch mal auf dem naechsten Bahnhof an den Bahnsteig und reden Sie mit dem Fahrpersonal - und danach ueberlegen Sie bitte, ob Sie weiterhin solche Feiglinge als bemitleidenswerte Selbstmoerder darstellen.
Mich interessiert nicht, was fuer Leistungen Enke als Sportler oder als Mensch erbracht hat - denn er hat alles mit seinem letzten Akt vernichtet. Das einzige, was an dieser Person nun enscheidend ist, er hat einem voellig unbeteiligten und unschuldigen Menschen kaltbluetig einen erheblichen Schaden zugefuegt.
Der SPIEGEL ist eine Zeitschrift hoechsten Niveaus - ich bin vertrauensvoll und zuversichtlich, dass Sie nicht die Sensation in solchen Faellen suchen, sondern sich diesem sehr dunklem Thema widmen werden und Ihrer Leserschaft vermitteln, was durchschnittlich jeden Tag ein Eisenbahner irgendwo auf Deutschlands Schienen durchmacht. Gegen tatsaechliche Unfaelle koennen und werden wir kuenftigen und jetzigen Ingenieure viel tun. Aber gegen "PU" koennen wir nichts machen - diese Aufgabe liegt vollstaendig in Ihren Haenden. Nur Sie koennen diejenigen aufklaeren, die sich der Problematik nicht bewusst sind, und diejenigen, die sich ihrer bewusst sind und trotzdem entsprechendes planen, von einer solchen Tat abhalten, wenn Sie ihnen im vorneherein schon die Glorifizierung versagen.
Hochachtungsvoll
Ihr ####
Hinweis von AndreasZ: Das Thema wurde aus dem Spiegel-Thema ausgelagert.