Liebe Eisenbahnfreunde,
Es ist mal an der Zeit eine kleine Reportage über den neuen "Premium-Zug" der ÖBB zu erstellen und damit die Lobeshymnen der ÖBB in Grund und Boden zu stampfen.
Der Railjet ist ein "Notfallprodukt" dass die ÖBB bei Siemens in Auftrag gegeben hat, da man zuviele Taurus Lokomotiven bestellt hat. Es war ja geplant einen europäischen Lokpool einzurichten und jede Bahn sollte dazu eine gewisse Anzahl an Lokomotiven hier zur verfügung stellen. Bei der ÖBB sollten es 360 Lokomotiven sein. Kurz nachdem die Lokomotiven bestellt worden sind, ist die Idee mit dem Lokpool geplatzt und die ÖBB ist auf den Loks praktisch sitzen geblieben.
Daher wurde jetzt eine Lösung gesucht, was man mit den fast 400 neuen Loks so anstellen kann und nachdem klar war dass man in absehbarer Zeit in neues Wagenmaterial investieren müsse, wurde die Idee des Railjet geboren. Das Railjet Konzept ist nichts neues und entspricht fast 1:1 dem ehemailgen deutschen Metropolitan. Ein 7 teiliger lokbespannter Wendezug für Geschwindigkeiten über 200 km/h mit 3 unterschiedlichen Klassen.
Erste Planungen sahen vor, dass man bei den Taurus Loks die den Railjet bespannen sollten, ein Führerstand entfernt wird und auch die Lok mit den Wagen kurzgekuppelt wird. Während die ersten Wagen gebaut wurden, wurde dieser Plan wieder verworfen, da man die Loks auch noch im normalen Betrieb verwenden wollte. Dann wurde die Lösung geboren, den 1.Wagen mit einer Art von Windblechen zu verkleiden, nur davon ist man auch wieder abgekommen, da diese Windbleche an die Kopfform einer 1016/1116 angepasst werden müssten. Nur damit wäre ausgeschlossen gewesen, dass andere Triebfahrzeuge eine Railjet Garnitur bespannen. Daher wurde dann schlussendlich der 2.Führerstand belassen und so kommt es dass heute der Übergang zwischen Lok und 1.Wagen alles andere als aerodynamisch optimal ist und es zu starken Luftverwirbelungen kommt, die den Energieverbrauch drastisch erhöht haben.
Diese Luftverwirbelungen haben bei Versuchsfahrten auf der Neubaustrecke im Unterinntal schon dazu geführt, dass diese Verwirbelungen die Oberleitung und den Stromabnehmer so stark in Schwingung versetzt haben, dass schließlich sich der Stromabnehmer in die Oberleitung eingefädelt hat und die Oberleitung auf mehreren Kilometern komplett heruntergerissen hat...
(Anmerkung: Diese Versuchsfahrt wurde mit 235 km/h durchgeführt - Der Railjet ist ausgelegt für 250 km/h...)
Die Innenausstattung hat die ÖBB selbst entworfen und hier war Herr Stefan Wehinger (ehemailger Vorstand der ÖBB Personenverkehrs AG und später Chef der WESTbahn GmbH) federführend. Er wollte ein einfärbiges schlichtes modernes Design und es sollte sehr an das Flugzeug erinnern, da man ja im Railjet das Gefühl bekommen sollte dass man über die Schienen fliegt.
Schon bald nach der Auslieferung der ersten Garnituren wurde der Railjet als "Premium-Zug" vermarktet und er sollte sich deutlich von den anderen Zügen abheben. Er sollte kurze Fahrzeiten haben mit wenigen Halten und mit hoher Geschwindigkeit bis 230 km/h fahren, ein einzigartiges Service-Konzept und einen hohen Komfort bieten.
Gleich nach der ersten Presse-Meldung dass man mit bis zu 230 km/h fahren werde, hat die ÖBB Infrastruktur der Personenverkehrs AG einen Strich durch die Rechnung gemacht und die Höchstgeschwindigkeit auf maximal 200 km/h festgelegt, da der Railjet den Oberbau stark beansprucht und der Fahrzeitgewinn minimal ist. Also hatte der Railjet exakt die gleiche Fahrzeit wie die normalen Eurocityzüge. Auch der Plan mit weniger Halten ging gründlich daneben, nachdem sich die Politik hier stark gemacht hat und die ÖBB nicht begründen hat können, warum sie in der Landeshauptstadt von Bundesland A stehen bleibt und bei der Landeshauptstadt des Bundesland B durchfahren will. Auch hier wäre übrigens der Fahrzeitgewinn minimal gewesen und so kommt es dass die Railjets exakt die gleichen Fahrpläne haben wie die normalen Eurocity-Züge.
Die Eurocityzüge wurden nach und nach auf der Westbahnstrecke komplett durch den Railjet ersetzt nachdem man immer mehr Garnituren geliefert bekommen hat und nicht so recht wusste was man damit tun sollte.
Die Passagiere nahmen den neuen Zug erst sehr skeptisch war und waren nicht wirklich zufrieden mit dem Railjet, nachdem man jahrelang ICE oder Eurocity Komfort gewohnt war. Größter Kritikpunkt war das Bistro - Ein Stehimbiss in einem Fernreisezug... Daher hat der neue ÖBB Vorstand Herr Christian Kern dementsprechend reagiert und lässt jetzt alle Railjets - mehr recht als schlecht - auf Restaurants umbauen. Zunächst wollte man ja einen vollwertigen Speisewagen einbauen, was aber aufgrund der komplizierten Wagenkastenkonstuktion unmöglich gemacht wurde. Daher hat man jetzt einen Alibi-Mini-Speisewagen, der aber immerhin besser bei den Kunden ankommt.
Ursprünglich war geplant den Railjet mit 3 Zugbegleitern zu bestücken. Einer für die Premium Klasse und die First Klasse, einer für die Economy und einer sollte ständig im Info-Point sitzen.
So ist man genau 4 Tage gefahren bis man drauf gekommen ist, dass das wohl etwas teuer ist. Daher hat man die 3 Zugbegleiter auf aktuell einen einzigen zurückgeschraubt, der jetzt das "Mädchen für alles" ist.
Die Premium Class wurde von den Fahrgästen überhaupt nicht angenommen - nicht zuletzt wegen des teuren Aufschlages von noch einmal 25€ auf die erste Klasse und dem geringen Mehrangebot.
Deshalb wurde versucht die Premium Class den Kunden schmackhaft zu machen mit billigen Sonderangeboten aber selbst das schlug fehl.
Daher wurde schlussendlich beschlossen die Premium Class inklusive das verbessere Service am Platz komplett aufzugeben. Die Premium Class wurde zur Business Class degradiert womit auch der besondere Service wegfiel und der Railjet den Namen "Premium-Zug" entgültig verlor.
Auch die Begrüßungsansagen im Railjet wurden schrittweise auf ein minimum reduziert. So dauerte die erste Begrüßungsansage in 3 Sprachen (Deutsch, Englisch, Ungarisch) noch fast 2 Minuten:
Ding dang dong - "Sehr geehrte Fahrgäste. Im Namen der ÖBB Personenverkehrs AG Mitglied der Railteam Alliance begrüßen wir sie im ÖBB Railjet- Dem Premium Hochgeschwindigkeits Zug der ÖBB. Der Railjet bietet Ihnen 3 verschiedene Klassen - Premium, First und Economy - wo sie individuell betreut werden. 80 Bildschirme informieren Sie jederzeit über die aktuelle Geschwindigkeit, unsere aktuelle Position, die nächsten Halte und Ihre Anschlussmöglichkeiten. Das Team von E-Express und "Meindl am Graben" erwartet sie mit köstlichen Speisen und Erfrischungen in unserem Bistro in der Zugmitte und verwöhnt sie gerne auch am Platz. Für weitere Fragen steht Ihnen unser Zugteam jederzeit gerne zur Verfügung. Wir wünschen Ihnen eine angenehme Reise mit dem ÖBB Railjet - Dem Premium Zug der ÖBB - Mitglied der Railteam Alliance."
Heute kling es so:
Ding dang dong "Herzlich Willkommen im ÖBB Railjet. Unser Team im Restaurant erwartet sie mit köstlichen Erfrischungen und sie betreut sie gerne auch am Platz. Wir wünschen eine gute Reise mit ÖBB - Mitglied der Railteam Alliance"
Der Railjet ist inzwischen auch auf der Südbahn im Einsatz und fährt nun auch über den Semmering. Dabei muss ich wohl nicht erwähnen, dass der Fahrkomfort dort unter aller Sau ist (sorry den Ausdruck) aber dort hat man öfters das Gefühl der Zug engleist jeden Moment. Ist ja auch kein Wunder, den der Zug ist nicht für enge Radien und Geschwindigkeiten bis 60 km/h gebaut worden. Daher sind die ganzen Drehgestelle und Dämpfer natürlich viel zu hart eingestellt für diese langsamen Fahrten und die engen Radien. Bei Testfahrten am Semmering ist ein geschobener Railjet beinahe entgleist und daher hat man veranlasst bei den neueren Railjet Garnituren andere Dämpfer einzubauen die mit den engen Radien besser zu recht kommen. Die erste Generation hat weiterhin Fahrverbot aufgrund Entgleisungsgefahr auf der Südbahn.
Ein Railjet hat 7 Wagen und davon nur 4 2.Klasse Wagen war natürlich auf vielen Strecken zu wenig ist. In Doppeltraktion kann nicht immer gefahren werden, da zum Beispiel auf der Südbahn etliche Bahnsteige für einen 411 Meter langen Zug einfach zu kurz sind oder andere Bahnverwaltungen eine Doppeltration nicht zugelassen haben (zb MAV)
Der Einsatz nach Italien ist ebenfalls gescheitert da die italienische Staatsbahn dem Railjet keine Zulassung erteilt hat. Nicht zuletzt deswegen, weil er ein regelrechter Oberbaukiller ist. Ein Railjet Waggon wiegt bis zu 6 Tonnen (!) mehr als ein normaler RIC Waggon.
Ginge es nach der ÖBB Infrastruktur hätte der Railjet auch in Österreich striktes Fahrverbot und durch den Einsatz dieser Züge hat sich der Wartungsaufwand auf der Westbahnstrecke fast verdoppelt. Physikalisch gesehen ist es auch ein voller Irrsinn mit einer 88 Tonnen schweren Lok mit über 200 km/h dahin zu fahren. Da wirken enorme Kräfte. Nicht umsonst haben die modernen Triebwagen verteilte Antriebe über den ganzen Zug um eine geringere Achsalst zu erzielen und eine bessere Traktionswerte zu erreichen. Weil ein ICE-T mit seinen 8 Motoren kommt selbst bei schlechten Verhältnisen besser weg als ein Railjet mit nur 4 angetriebenen Achsen die alle auf eine Lok konzentriert sind.
Im Dezember geht die neue Strecke Wien - St.Pölten in Betrieb und dort soll der Railjet erstmals mit 230 km/h fahren. Das Problem was sich jetzt aber ergibt ist, dass die Taurus Loks Probleme haben mit einem 7 teiligen Railjet überhaupt auf diese Geschwindigkeit zu kommen. So dauert ein Beschleunigungsvorgang von einem Railjet von 200 km/h auf 230 km/h fast 7 Kilometer und dabei werden fast 400 kWh Strom verbraucht.
Es gibt noch einges über den Railjet - in Österreich trägt er bereits den Titel "Quäljet" oder "Regiojet" (aufgrund der vielen Halte an der Südbahn wo man im Schnitt alle 20 min hält) - zu berichten. Sei es von der Fehlplanung des Designs oder von den häufigen Ausfällen der (neuen) Steuerwagen.
Derzeit wird intensiv die fehldende Fahrradmitnahme kritisiert. Nachdem man jetzt auf der Südbahn alle normalen IC VErbindungen auf Railjets umgestellt hat ist es jetzt praktisch unmöglich mit dem Rad von A nach B zu kommen. Alternativen im Fernverkehr gibt es auf dieser Strecke quasi nicht. (außer zu sehr unmenschlichen Zeiten)
Ich halte euch am laufenden wenn sich da was tut.
P.s.: Laut einen Mitarbeiter der Personenverkehrs AG "fliegen" die Passagiere in Deutschland nur so auf den Railjet und fahren lieber mit dem Railjet als mit dem ICE. Kann das jemand von euch bestätigen?
glg