Straßenbahn oder Tunnelstrecke?

  • Hallo,
    sind die Banhöfe von Harry aus Loksim oder echt?

  • Da hier verstärkt über die Bogestra gesprochen worden ist, möchte ich an dieser Stelle einmal auf die in Bochum, aber auch in Witten laufende Debatte um die Umlegung, Beschleunigung und den Ausbau der Bogestralinie 310, die derzeit im Zwanzigminutentakt zwischen Bochum-Wattenschied-Hoentrop (Hoentrop Kirche) und Witten-Heven (Heven Dorf) fährt und dabei - mit der Linie 302 - den neuen Tunnel nutzt.


    Zunächst ein paar grundsätzliche Bemerkungen hierzu:


    Die Bogestralinie 10, seit der Einführung des VRR am 1.1.1980 Linie 310, existiert seit etwa 100 Jahren. Sie wurde ursprünglich als Konkurrenz zur Eisenbahn eingeführt, um die Städte Bochum und Witten regelmäßig miteinander zu verbinden. Zwar brauchte und braucht sie länger als die Eisenbahn, sie fährt jedoch häufig und hat sehr viele Halte, so daß lange Wege zum Hauptbahnhof entfallen.


    In den 60er Jahren gab es viel städtebauliche Aktivität. In Laer kam das Opelwerk 1, die Bundesrepublik Deutschland hat es direkt an das Autobahnnetz angeschlossen, das Teilstück der A44 vom Autobahnkreuz Dortmund-Witten bis Bochum-Laer wurde gebaut, so daß die Bogestra gezwungen war, die Linie 10 umzulegen. Zunächst als Provisorium diente die eingleisige Strecke zwischen dem Crengeldanz in Witten durch den Wald, vorbei am Honnengraben über die Baroper Straße zum Ümminger Teich. Hier ist ein perfekt ausgebauter seperater Gleiskörper, der damals als endgültige Führung angelegt wurde, da die Strecke auf der Alten Wittener Straße aufgegeben werden mußte.


    Nun sind aber andere Zeiten angebrochen. Die Bogestra und die Deutsche Bahn sind keine Konkurrenten, sie sind in einem Verkehrsverbund organsisiert, und die Überlandstraßenbahn, die durch nahezu unbebautes Gebiet fährt, gilt seit 40 Jahren als Stillegungskandidat. Grund genug, eine Umlegung zu planen, ist doch der Anschluß des Stadtteiles Langendreer ziemlich schlecht. Also plant die Bogestra, die Linie 310 umzulegen und auszubauen. Der Takt soll auf Wittener Gebiet auf zehn Minuten verdichtet werden, die Strecke zwischen der Wittener Einkaufsstraße und Witten-Heven soll zweigleisig ausgebaut werden und die provisorische Linienführung aus den 60er Jahren will man aufgeben und statt dessen Busse ins dünn besiedelte Gebiet schicken. Die Linie 310 soll über die Hauptstraße fahren und die S-Bahnstation Bochum-Langendreer der Linie S1 mit Witten und der Bochumer Innenstadt verbinden. Die Linie 302 soll von Opel bis Langendreer verlängert werden, so daß Langendreer mit der Straßenbahn sehr viel besser an Bochum und Witten angeschlossen wird. Die Option, die Straßenbahn - vorbei an den Opelwerken 2 und 3 - einmal bis Dortmund-Lüttgendortmund und sogar bis Castrop-Rauxel zu verlängern, würde bestehen. In Bochum wird die Diskussion heiß geführt und die Entscheidung ist getroffen - 2010 wird vermutlich Baubeginn sein. Die zwanzig Meter langen M-Wagen sollen dann der Vergangenheit angehören und durch moderne Stadler-Variobahnen ersetzt werden.


    In Witten wird die Debatte kaum gefährt. Im gestrigen Sonntags Kurier wurde in der Kolumne "Blitzlicht", die meinen Informationen zufolge vom Kommunalpolitiker Michael Hasenkamp der Freien Liste Witten - einer CDU-Abspaltung - geschrieben wird, darüber geschrieben.


    Mit dem Vorhaben, die Straßenbahnlinie 310 "zu beschleunigen", wie es so schön heißt, stößt die BoGeStra zumindest beim Ausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz auf Wohlwollen. Das muss gut tun, nach so viel "Haue", wie man sie in Langendreer gekriegt hat (und voraussichtlich noch kriegt). Warum will die BoGeStra auf Biegen und Brechen in Langendreer eine neue Straßenbahnlinie gegen alle Widerstände installieren? Weil so viele Landes- und Bundesmittel zur Verfügung stehen, die man unbedingt "verbraten" will? Oder ist ihr wirklich daran gelegen, einen Langendreerer S-Bahnhaltepunkt mit dem Wittener Bahnhof zu verbinden? Sind die zu erwartenden 3000 zusätzlichen Fahrgäste (wo kommen die her?) der ausschlaggebende Punkt?


    Anmerkung: Selbstverständlich steigt die Fahrgastzahl, wenn man die Buslinien 378 und 379 umlegt und die Verbindung zwischen Witten und Langendreer auf eine moderne, beschleunigte, hochkomfortable Straßenbahnlinie umstellt. Es gibt keine definierte Anzahl von Fahrgästen, die den ÖPNV nutzen, sondern es ist eine dynamische Masse, die sich - mit der Attraktivität des Angebotes - ständig ändert.


    Es gibt durchaus Mutmaßungen, die da andere Gründe sehen. Vielleicht betreibt die BoGeStra soetwas wie Zukunftssicherung. In einem liberalisierten ÖPN-Markt darf "ihr" Straßenbahnnetz nicht angetastet werden. Mögliche Konkurrenz hat schon im Voraus das Nachsehen. Darum muss auch in Witten schön Wetter für die neue Bahn gemacht werden, denn wenn Witten nicht mitzieht, büßt das Vorhaben an Sinn ein.


    Die Bogestra betreibt ihre Linien als Aktiengesellschaft eigenwirtschaftlich. Sie werden also auch in Zukunft nicht ausgeschrieben werden. Allerdings ist die Bogestra kein gewinnorientiertes Unternehmen, sondern sie hat das Ziel, Busse und Straßenbahnen in Bochum, Gelsenkirchen, Hattingen, Witten und Herne zu betreiben. Eine solche Unterstellung mag zwar an den Stammtischen gern gelesen werden - mit der Realität hat sie nichts zu tun.


    Viel schlimmer ist aber der redaktionelle Text des Sonntags-Kuriers, hier wird wirklich dummes Zeug behauptet.


    Die Niederflurigkeit der neuen Straßenbahnwagen macht die aufwendigen Straßenbahn-Bahnsteige auf der Bahnhofsstraße, für die viel Geld gezahlt wurde, überflüssig. (...) Hier wäre ein Umbau erforderlich.


    Die auf der Linie 310 eingesetzten M-Wagen sind fast 30 Jahre alt. Ersatzteile für die Fahrzeuge gibt es nicht mehr. In absehbarer Zeit müssen diese Wagen ohnehin ausgetauscht werden. Im übrigen ist die Behauptung, in der Bahnhofsstraße müßte etwas passieren, sachlich falsch. Die Bahnsteige sind für Niederflurfahrzeuge geeignet.


    Ich hoffe sehr, daß die Straßenbahnlinie 310 in Bochum wirklich ausgebaut wird. Es würde Witten und Bochum gleichermaßen guttun, und es würde auch die Attraktivität des umstrittenen neuen Tunnels in der Bochumer Innenstadt erhöhen. Baubeginn wird vermutlich 2010 sein, ab 2007 werden die ersten Variobahnen ausgeliefert, die auch auf den Linien 306 und 301 eingesetzt werden sollen. Auch die Linien 302, 308 und 318 können mit ihnen bedient werden. Die Siemens-Niederflurwagen aus dem Jahr 1992 haben sich - insbesondere am Anfang - als sehr unzuverlässig gezeigt. Es wird Zeit, daß sich hier etwas tut.

  • Nicht, daß ich ein Freund dieser neoliberalen Schmierpostille wäre, aber Spiegel-Online schreibt eine Dokumentationsreihe über verschiedene Untergrundbahnsysteme der Welt.


    Hier der Link [url=http://www.spiegel.de/reise/metropolen/0,1518,443035,00.html]Bitte klicken![/url]

  • Zitat

    Aber Hauptsache, die Stadt Offenbach hat ein paar Euro durch die Einstellung der Straßenbahn gespart.


    Wie hoch ist der Verlust an den Gewerbesteuern und wie stark ist die Arbeitslosenquote nach oben gegangen?

  • Hallo Harry,


    bei der Gelegenheit hab ich mir den längeren Beitrag weiter oben nochmal durchgelesen. Warum genau wird die 310 nie ausgeschrieben werde können? Diese Linien wird sich ja sicher nicht eigenwirtschaftlich betreiben lassen. Also kriegt sie Geld vom Staat (egal wem sie gehört und wie sie organisiert ist). Somit ist eine Ausschreibung möglich, wenn auch nicht Pflicht.

  • Doch, die Bogestra betreibt ihre Linien eigenwirtschaftlich. Die Aktien gehören mehrheitlich den Städten in denen sie fährt und einige Prozente Eigenbesitz. Die Verluste werden direkt von den Kommunen übernommen.

  • Zitat

    Original von Harry Weston
    Doch, die Bogestra betreibt ihre Linien eigenwirtschaftlich. Die Aktien gehören mehrheitlich den Städten in denen sie fährt und einige Prozente Eigenbesitz. Die Verluste werden direkt von den Kommunen übernommen.


    Das würde doch dann aber auf jede Menge kommunale Verkehrsbetriebe zutreffen. Die gehören doch fast immer der Stadt. Die Verluste werden aus der Stadtkasse ausgeglichen. Wer soll sie auch sonst ausgleichen. Pleite gehen geht ja nicht.

  • Ja, das stimmt. Die Bogestra ist nicht das einzige Unternehmen im Kommunalbesitz, das seine Linien eigenwirtschaftlich betreibt.

  • [url=http://www.spiegel.de/reise/staedte/0,1518,454054,00.html]Paris führt die Straßenbahn wieder ein.[/url]


    Das ist doch echt mal eine Meldung wert. Auch in Paris hat man erkannt, daß die Straßenbahn im Vergleich zum Dieselbus eine Menge Vorteile hat.

  • Da wird einem richtig warm ums Herz wenn man diesen schönen Pro Tram geschriebenen Artikel liest. Er könnte beinahe aus dem Straßenbahnmagazin stammen.
    Noch schöner wäre es natürlich wenn derart wohlklingende Sätze wie "Die verglasten, schnittigen Großraumwagen, die zudem leise und bequem sind, werden zum Aushängeschild einer zeitgemäßen und ökologisch korrekten Verkehrspolitik" liest.
    Wäre nur schön wenn solch ein ARtikel in dieser Länge auch mal in der Printausgabe platziert würde die von entsprechenden Entscheidungsträgern häufig gelesen wird.

  • Ja, deswegen hoffe ich im Interesse des Pariser Verkehrs, daß - wenn möglich - noch mehr Buslinien auf Straßenbahnbetrieb umgestellt werden. Nicht nur in Paris, auch in vielen anderen Städten. Die Planung für Bochum-Langendreer ist da ein konkretes Beispiel, aber es ist, glaube ich, derzeit das einzige Neubauprojekt einer Straßenbahn in Nordrhein-Westfalen. Schade, und vielleicht kann der Pariser Weg ja ein Denkanstoß auch für deutsche Verkehrspolitiker sein.

  • Was ich immer wieder erstaunlich finde: 100.000 Leute soll diese Linie täglich transportieren. Das ist eine sehr hohe Zahl. Nicht mal stark ausgelsatete Berliner U-Bahnlinien weisen derartige Fahrgastzahlen auf.

  • Letztes Wochenende verschwangen die letzten beiden Straßenbahnen aus der Dortmunder Innenstadt. Aus den Linien 403 und 404 wurden U43 und U44. Gefahren wird bis auf weiteres noch mit den alten N8, dafür ist die Dortmunder Innenstadt jetzt vollständig schienenfrei.