Frage: wie hängen Signaltechnik und Sanden zusammen?

  • Hallo an die, die es wissen. :)


    Habe grade in der "Aktuellen Stunde" auf WDR einen Bericht gesehen, dass das Sanden ein Sicherheitsrisiko darstellen kann. Ich konnte dem Beitrag nicht ganz folgen. Denn es war die Rede davon, dass, wenn ein Tf bis zum Stillstand sandend den Zug bremst und er dann steht, also der Zug, nicht der Tf, dass dann kein Strom mehr zwischen Zug und Schiene fliessen könne und somit das Gleis nicht mehr als belegt für den FDL erkannt werden kann. Als Unfallbeispiel wurde dann ein Unfall in Recklinghausen vor zwei Jahren gebracht.


    Hoffe, ich habe den Beitrag inhaltlich einigermaßen korrekt und verständlich darlegen können. :whistling:

  • Das stimmt eh soweit - die Gleisfreimeldeanlage erkennt befahrene Gleise nicht mehr; besonders gefährdet sind allein fahrende Loks etc., denn hierbei beeinflussen ja nur 4 (oder geringfügig mehr) Radsätze die Freimeldeanlage, und bei zu viel Sand zwischen Schienen und Rädern kann es da schon arge Probleme geben.

  • Ach so ist das, hatte das auch in den Nachrichten gehört und mich gewundert. Moderne ESTW-Technik von Siemens und Thales setzt ja nun mehr auf Achszähler, da gibt es dieses Problem dann nicht. Oder werden bei der DB weiter lieber Gleisstromkreise eingebaut?

  • Hallo,


    ja, da haben verschiedene Nachrichtendienste die verschiedensten Dinge mit hinein gedichtet. Eigentlich geht es um Folgendes.


    Damit das Stellwerk weiß, ob ein Gleisabschnitt frei ist oder ein Fahrzeug darin steht, gibt es zwei Möglichkeiten dies technisch festzustellen.
    Da gäbe es zum einen Achszähler, und bei der Suche nach einem Bild bin ich in Wikipedia schon auf eine Erklärung gestoßen. Achszähler werden bei Neuanlagen fast auschließlich verbaut: http://de.wikipedia.org/wiki/Achsz%C3%A4hler


    Das zweite Prinzip ist der Gleisstromkreis, in dem die stromleitende Metallachse eines Eisenbahnfahrzeuges die beiden Schienen miteinander verbindet und so eine Besetztmeldung zustande kommt: http://de.wikipedia.org/wiki/Gleisstromkreis#Gleisstromkreis


    Unter anderem gibt es den Grundsatz, dass Gleise mit Gleichstromkreis alle 24 Stunden befahren werden müssen, da es sonst durch Dreck und Rost zu einer Isolierwirkung zwischen Rad und Schiene kommen kann, und so Fahrzeuge verschwinden. Da gleiche Problem besteht prinzipiell mit dem Bremssand von Eisenbahnfahrzeugen, vor allem wenn diese scheibengebremst sind und so Laufflächen und Schienen nicht mehr geputzt werden.


    So gibt es nun schon seit einiger Zeit Anweisungen bei allein fahrenden Lokomotiven und Sanden. Diese wurde jetzt nur erweitert auf alles, was zwischen zwei Sandrohren weniger als neun Achsen hat oder Triebzüge jeglicher Zusammenstellung, und darum wird jetzt so ein Wirbel veranstaltet.


    Edit: Das Ganze betrifft eigentlich ja nur Gleisstromkreise die sich eh auf dem absteigenden Ast befinden. Aber im Zweifelsfalle geht man immer nach der Regelung, nämlich zur sicheren Seite hin.
    Außerdem betrifft das Ganze nur das Sanden bei gleich oder kleiner 25 km/h. Neu hinzu gekommen ist die Überprüfung eines Sandtasters der rasten kann bei jedem Anhalten.

  • Es wird davon ausgegangen, dass der Sand, der während des Bremsvorgangs bis zum Stillstand vor die Räder gestreut wird, eine isolierende Wirkung zwischen Rad und Schiene haben kann.
    Dazu muss man etwas weiter ausholen und erklären, dass es drei unterschiedliche Arten von Gleisfreimeldeanlagen in der Stellwerkstechnik gibt.
    Zu Anfang seien da die Tonfrequenz-Gleisstromkreise genannt, bei nenen eine bestimmte Tonfrequenz an das Gleis angelegt wird. Sender-Empfänger-Prinzip. Ist ein Fahrzeug dazwischen "verfälscht" es die Frequenz und das Gleis wird als besetzt angezeigt (Rotausleuchtung auf dem Bildschirm oder Stelltisch des Fahrdienstleiters).
    Dann gibt es da noch die Achszählertechnik, die durch Zählen der Achsanzahl entscheidet, ob ein Gleisabschnitt frei ist oder nicht. Dabei werden immer die einfahrenden und die ausfahrenden Achsen gezählt. Beträgt die Differenz Null, ist der Gleisabschnitt wieder frei.
    Und zu guter letzt gibt es da die Gleisstromkreise - und das ist das Sorgenkind in dieser Geschichte.
    Beim Gleisstromkreis schließt die Achse eines Fahrzeugs über die beiden Schienenköpfe einen Stromkreis. Solang dieser Stromkreis geschlossen ist, wird der Gleisabschnitt als besetzt angezeigt. Fließt kein Strom zwischen den beiden Schienen, ist das Gleis frei.


    Nun soll es angeblich vorgekommen sein, dass Fahrzeuge bis zum Stillstand gesandet haben, auf dem Sand mit allen Achsen stehen geblieben sind, der Sand isolierte und das Gleis wurde als frei angezeigt, obwohl ein Fahrzeug darin stand.


    Es gab schon länger eine Weisung (seit 2008), dass das Sanden bei Geschwindigkeiten < 25 km/h außer im Gefahrfall zu vermeiden sei, am 20.12.2012 ist dann noch eine Allgemeinverfügung des Eisenbahnbundesamtes (EBA) ergangen, die die EVU zu sofortigen Weisungspflicht mahnte, wodurch an diesem Wochenende vor Weihnachten sicherlich das Licht in vielen Büros der Eisenbahnbetriebsleiter in ganz Deutschland angingen...


    Die Allgemeinverfügung findest du hier :!: <- klick mich, ich bin ein Link zur Allgemeinverfügung


    edit: da waren ein paar Leute schneller als ich ^^

  • Hallo


    Zitat

    Es gab schon länger eine Weisung (seit 2008), dass das Sanden bei Geschwindigkeiten < 25 km/h außer im Gefahrfall zu vermeiden sei, am 20.12.2012 ist dann noch eine Allgemeinverfügung des Eisenbahnbundesamtes (EBA) ergangen, die die EVU zu sofortigen Weisungspflicht mahnte, wodurch an diesem Wochenende vor Weihnachten sicherlich das Licht in vielen Büros der Eisenbahnbetriebsleiter in ganz Deutschland angingen...


    ... nicht nur in D, auch in CH (ganz Europa?) :D


    Soeben (1.1.2013) haben auch SBB und BLS eine neue Weisung herausgegeben. Hierzulande darf man aber schon ab < 40 km/h und <= 4 Achsen nicht mehr sanden, ausgenommen Notfall. Bei letzterem muss Fdl informiert werden, der dann weiteren Anweisungen folgt.


    Gruss
    chloksim

  • Bei uns in Österreich ist das Sanden (noch) nicht verboten, aber speziell auf Weichen gibt es eine Dienstanweisung nicht zu Sanden, da sonst der Sand in den Weichenantrieb bzw auf die Gleisstuhlplatten oder die Zungenrollvorrichtung kommen könnte und dort eine erhöhte Reibung verursachen würde, was wiederrum schnelleren Verschleiß zur Folge hat.


    Obwohl ich muss sagen, dass man bei den neuen Fahrzeugen sogut wie nie mehr sanden braucht, da die Elektronik das so fein regelt, dass ein Durchdrehen sehr sehr selten vorkommt.



    Das Problem besteht übrigens hauptsächlich bei Lokomotiven mit Scheibenbremsen.

  • [...] speziell auf Weichen gibt es eine Dienstanweisung nicht zu Sanden [...]


    Gibt's in Deutschland auch so in der Art :)


    Obwohl ich muss sagen, dass man bei den neuen Fahrzeugen sogut wie nie mehr sanden braucht, da die Elektronik das so fein regelt, dass ein Durchdrehen sehr sehr selten vorkommt.


    Da kann man sicherlich streiten. Gerade bei leichtfüßigen Baureihen (neustes Beispiel ist die BR 186) kommt es sehr schnell zum Schlupf, gerade beim Anfahren mit noch nicht mal all zu großen Lasten.


    Das Problem besteht übrigens hauptsächlich bei Lokomotiven mit Scheibenbremsen.


    ... weil da die Bremsklötze fehlen, die deine Laufflöchen aufrauen und so der Reibbeiwert zwischen Rad und Schiene weiter abnimmt.
    Bei der BR 120 wurde damals schon eine "Putzbremse" eingesetzt, wenn längere Zeit nicht mit der indirekten Bremse gebremst bzw. die Bremskraft nur über die dynamische und nicht über die Druckluftbremse aufgebracht wurde.

  • Hallo


    Zitat von »chloksim« Bei letzterem muss Fdl informiert werden, der dann weiteren Anweisungen folgt.
    Beserl von der nächsten Weiche holen und putzen.


    Beserl gibts schon lange nicht mehr da, die stehen alle irgendwo bei Privat-Haushalten rum :P
    Wenn ich motiviert wäre, würde ich einen Vorschlag in deinem Sinne einreichen...
    Im Ernst: der Fdl muss den Abschnitt sichern, dann muss geprüft werden, ob die Gleisbesetztmeldung noch funktioniert und je nach Ergebnis weiter handeln, von Gleisputzen steht allerdings nichts in der Weisung... hingegen wird bei einer Störung der technische Dienst aufgeboten. Lerne: Lokführer und Fdl putzen Gleise nicht :thumbup: !
    Nochmal im Ernst: Ich vermute mal, dass die Sandkörner bei Störungen doch ziemlich in die Schiene gewalzt wurden und vermutlich nicht so einfach weggeputzt werden können, ist aber wie gesagt nur eine Vermutung.


    Ja, über Weichen durfte man in der CH auch nie sanden aus obengenannten Gründen.


    Gruss
    chloksim


    Edit: PS: Ich reagierte auch immer allergisch auf die Aussagen der Vorgesetzten, dass die Lok XY jetzt nicht mehr schleudere, da mit einer elektron. Anti-Schleuder-Steuerung ausgerüstet. Unter bestimmten Voraussetzungen schleudert jede Lok/Triebwagen. Allerdings muss ich sagen, dass moderne Fz wie z.B. der FLIRT doch sehr zuverlässig sind in diesem Sinne und nur sehr selten schleudern.

  • Das Eisenbahnbundesamt sieht erhebliche Sicherheitslücken, die auf eingleisigen Bahnstrecken zu Katastrophen führen könnten. Davon gibt es iauch n Bayern nicht wenige.
    [...]


    Hab da auch noch so nen kleinen Beitrag gefunden ;)

    Sach' ma', die Allgemeinverfügung hast Du aber schon gelesen, oder?


    Da steht aber mal garnix von eingleisigen Strecken. Und wenn Du Dir die dazu passenden Unfalluntersuchungsberichte durchliest, dann wirst Du auch verstehen warum.


    Gruss
    Uwe

    --
    Wenn du die Götter zum Lachen bringen willst, mach’ einen Plan.

  • Mir entzieht sich auch die Erkenntnis, warum Pendolino nen Artikel runterbetet, obschon das Thema längst als beantwortet gilt.


    Zudem fehlt eine Quellenangabe. Da es sich aber liest, als wenn er per c+p gearbeitet hätte, finde ich es billig, einen auf schlau zu machen ohne Eigenleistung.

  • Zitat

    Zu Anfang seien da die Tonfrequenz-Gleisstromkreise genannt, bei nenen eine bestimmte Tonfrequenz an das Gleis angelegt wird. Sender-Empfänger-Prinzip. Ist ein Fahrzeug dazwischen "verfälscht" es die Frequenz und das Gleis wird als besetzt angezeigt (Rotausleuchtung auf dem Bildschirm oder Stelltisch des Fahrdienstleiters).

    Kleine Korrektur: Auch Tonfrequenzkreise arbeiten nach dem Prinzip des Achskurzschlusses, und sind damit von dem Sandproblem betroffen. Das, was Du vermutlich meinst, sind Induktionsschleifen, die bei der Bahn häufig an Bahnübergängen eingesetzt werden.

    Edit: PS: Ich reagierte auch immer allergisch auf die Aussagen der Vorgesetzten, dass die Lok XY jetzt nicht mehr schleudere, da mit einer elektron. Anti-Schleuder-Steuerung ausgerüstet. Unter bestimmten Voraussetzungen schleudert jede Lok/Triebwagen. Allerdings muss ich sagen, dass moderne Fz wie z.B. der FLIRT doch sehr zuverlässig sind in diesem Sinne und nur sehr selten schleudern.

    Jein. Also da muss man aufpassen. Drehstromlokomotiven können prinzipbedingt nicht durchgehen/schleudern in dem Sinn, dass es zu einem unkontrollierten Beschleunigung der Raddrehung kommt. Das hat nichts mit der Elektronik zu tun, sondern ist bei Drehstrommotoren so. Grund dafür ist, dass ein Drehstrommotor maximal so schnell drehen kann, wie das "Drehfeld" im Motor. Die Geschwindigkeit des Drehfeldes wird durch die Elektronik bestimmt. Beim Beschleunigen muss das Drehfeld allerdings schneller drehen als der Motor sich mechanisch dreht. Damit kann es auch bei einer Drehstromlok passieren, dass die Reibung von der Haftreibung in die Gleitreibung übergeht - das aber eben nur sehr begrenzt. Sofern die Elektronik nicht so dumm ist und das Drehfeld immer schneller dreht, ist die Auswirkung also eher gering. Eine Schaltwerkslok dagegen kann prinzipbedingt sehr plötzlich sehr viel schneller drehen.


    Schleudern im herkömmlichen Sinn kann die Drehstromlok daher nicht - Probleme mit rutschigen Schienen hat sie (natürlich auch abhängig von den Eigenschaften der Elektronik) aber natürlich schon.


    Und auch sonst hat die Drehstromlok was das Grundprinzip betrifft erhebliche Vorteile gegenüber der Schaltwerkslok bei nassen Schienen - es kommt aber natürlich auch darauf an, was die Elektronik aus diesem Vorteil macht.

  • Genau... Deswegen hab ich auch noch nieee mit der E-Bremse eine Flachstelle in einem Drehstromfahrzeug produziert, weil selbst bei Ueberschreitung der max. Haftreibung das Rad ja weiterhin dreht, nur halt zu langsam. Die Frage stellt sich nur - was hat dann denn geklopft? 'n Gnom? ;-)

    Triebfahrzeugführer im Streckendienst der DB Fernverkehr in Frankfurt/Main
    BR: 101, 120, 147.5, IC-Steuerwagen, IC2-Steuerwagen, 401 ("ICE 1"), 402 ("ICE 2"), 403 ("ICE 3"), 406 ("ICE 3M"/"ICE 3MF"), 407 ("neuer ICE 3"), 411 ("ICE T"), 415 ("ICE T")

  • Also zum einen habe ich von Schleudern gesprochen, nicht von Gleiten. Zum anderen, das wichtigste sind folgende Sätze:


    "Also da muss man aufpassen. Drehstromlokomotiven können prinzipbedingt nicht durchgehen/schleudern in dem Sinn, dass es zu einem unkontrollierten Beschleunigung der Raddrehung kommt."


    "Damit kann es auch bei einer Drehstromlok passieren, dass die Reibung von der Haftreibung in die Gleitreibung übergeht - das aber eben nur sehr begrenzt. Sofern die Elektronik nicht so dumm ist und das Drehfeld immer schneller dreht, ist die Auswirkung also eher gering. "


    Der Übergang in die Gleitreibung (beim Beschleunigen) ist natürlich auch nicht sinnvoll - von den Auswirkungen her aber wesentlich weniger schlimm als echtes Schleudern. Daher dürfte die Behauptung kommen, dass moderne Loks nicht schleudern können - die Aussage ist durchaus korrekt, verschweigt aber, dass es sowas wie "Schleudern light" immer noch geben kann.


    Was Flachstellen beim Bremsen betrifft - da muss ich sagen weiß ich jetzt so spontan nicht wie das kommt, denn auch beim Bremsen gilt, dass ein vollständiger Stillstand des Rades rein über die E-Bremse nicht möglich ist. Ob man es jetzt schafft, bei kurzzeitiger Verlangsamung des Rades eine Flachstelle zu produzieren - keine Ahnung. Ansonsten wäre da noch zu klären, ob nicht vielleicht doch auch die Druckluftbremse sich (selbstständig) eingemischt hat.


    Das ganze sind jetzt wie gesagt die grundlegenden technischen Hintergründe - wie sich das ganze in der Praxis verhält hängt natürlich von weiteren Faktoren, u.a. von der Elektronik, ab. Wenn die Elektronik jetzt z.B. der Meinung ist, der Zug hätte regulär abgebremst, dabei sind nur alle vier Räder in die Gleitreibung übergegangen, wäre es z.B. denkbar dass die Elektronik Anpassungen im Drehfeld vornimmt, die die Auswirkungen verstärken.

  • Boris, Du scheinst ja von der Materie sehr viel Ahnung zu haben. Respekt.


    Mal ne Deppenfrage, aber gibt es denn bei Loks, bzw. Zügen, kein(e) ABS und/oder ASR?


    Und wenn wir mal dabei sind, was ist der große Unterschied, ob Drehstrom oder nicht? Muss zugeben, Elektrik/Elektronik ist absolut nix, was ich begreife. Mechanik ja, aber alles, was mit Strom zu tun hat, nein. Müssen wir aber hier nicht klären, weil es dann zu OT ginge.

  • ABS (Antiblockiersystem) heißt bei der Eisenbahn Gleitschutz.
    ASR (Antischlupfregelung) heißt bei der Eisenbahn Schleuderschutz.